Passiert
Aus dem Leben mit dem Wort
Jedes Jahr bringen wir den Segen der Sternsinger in einige Dörfer Ostdeutschlands. Dort sind wenige Christen und wir gehen nur zu den Menschen, die den Besuch möchten. Einmal hatten wir gerade mit den als Königen verkleideten Kindern an einer Haustür gesungen, als eine Frau aus der Nachbarschaft hinter uns herrannte und bat, auch ihr Haus zu segnen. Später erfuhren wir, dass sie nicht gläubig war. Wenige Tage zuvor hatte ihr Mann sie verlassen; sie war verzweifelt und das Haus schien ihr unheilvoll. Im nächsten Jahr erlebten wir nahezu die gleiche Szene: Nachdem wir bei ihren Nachbarn gewesen waren, kam die Frau wieder zu uns und wollte ihr Haus segnen lassen. Ihr Mann war im letzten Jahr, einige Tage nachdem wir bei ihr gewesen waren, zurückgekommen und hatten einen Neuanfang gewagt. Seither waren wir jedes Jahr dort. Dieses Jahr war erstmals auch der Mann anwesend.
A.W.
Der Fahrer setzte gerade an, den Bus von der Haltestelle wieder in die Fahrspur zu manövrieren. Da sprang ein Mann vom Gehsteig und überquerte direkt vor dem Bus die Straße. Der Fahrer bremste sofort und blickte dem Mann kopfschüttelnd nach. Als wäre er im Recht, blieb dieser unvermittelt mitten auf der Straße stehen, zückte sein Handy und fotografierte den Bus so, dass er sowohl Fahrer wie Kennzeichen anvisierte. Ich dachte: „Das darf nicht wahr sein! Wenn er Anzeige gegen den Fahrer erstattet, ist das böswillig und unrechtmäßig.“ Ich stand auf, ging vor, und bot dem Fahrer an, als Zeugin für ihn einzutreten. So rief ich bei seiner Firma an und schilderte dem Chef den Hergang. Als ich mein Handy wieder eingesteckt hatte, waren viele Blicke auf mich gerichtet. Ich weiß nicht, was die Menschen dachten. Mir war es jedenfalls ein Anliegen, meinen Teil für diesen Fahrer zu tun.
M.H.

Vor drei Jahren war ich zwei Wochen mit einer Dame im selben Krankenzimmer. Ich hatte häufig Besuche, auch von einem Pater. Nach langer Zeit habe ich sie kürzlich wieder einmal angerufen. Im Laufe des ausführlichen Gesprächs wiederholte sie mehrmals, dass ausgerechnet der Krankenhausaufenthalt eine „sehr schöne Zeit“ für sie gewesen sei und sie mir sehr viel verdanke. Auf meine Frage, was denn so ausschlaggebend gewesen sei, antwortete sie: „Deine Besuche waren immer etwas Besonderes. Ich kann mich noch gut an den Pater erinnern und an deine Freundinnen. In meiner Kindheit machten wir aktiv in der Pfarre mit und das Gebet war fixer Bestandteil in unserer Familie. Später kamen schwere Schicksalsschläge – wie die Scheidung und ein plötzlicher Todesfall. Ich war richtig böse auf Gott. Seit dem Krankenhausaufenthalt kann ich wieder beten und weiß mich in Gott geborgen.“
L.S.
Ich war unterwegs in der Tram und saß ganz vorne auf dem Platz, der für Personen mit beeinträchtigter Mobilität reserviert ist. Plötzlich setzte sich eine junge Frau mit einer geöffneten Büchse – Bier? – neben mich. Sie fing sofort ein Gespräch an, duzte mich. In einer Woche sei Weihnachten, sie freue sich aufs Christkind, sei immer brav gewesen. Wir sprachen noch über Verschiedenes. Nach zwei Stationen nannte sie mir ihren Namen und fragte nach meinem, bevor sie ausstieg. Da erst sah ich, dass sie sich nur mühsam fortbewegen konnte. Ein Bein war kürzer als das andere. Ich war froh, dass ich die Frau wegen ihres Benehmens, das auch die Aufmerksamkeit anderer Fahrgäste auf sich gezogen hatte, nicht verurteilt und gemieden hatte.
K.R.
Schon seit Jahren kommen Menschen aus Rumänien in unsere Stadt, um zu betteln. Eine Frau sitzt von früh bis spät vor der Kirche, die ich öfter besuche. Seit Längerem habe ich persönlichen Kontakt zu ihr. Samstags kaufe ich ihr, und seit Kurzem auch einer „Kollegin“, die sich in ihrer Nähe aufhält, ein frisch gebackenes Hendlhaxl plus Semmel. Das kostet regulär zweimal sechs bis sieben Euro. Weil der Chef des Verkaufsstands weiß, in welchen Mägen die Leckerbissen landen, bekomme ich einen Spezialpreis: zehn Euro. Letzten Samstag ging ich wieder zum Verkaufsstand; unterwegs grüßte mich eine weitere Bettlerin. Ich blickte sie praktisch nicht an, dachte mir: „Nein, zwei sind genug.“ Am Stand verlangte ich zwei Stück. Der Verkäufer: „Acht Euro.“ Und ich: „Bitte noch ein drittes.“ Er zu meinem Erstaunen: „In diesem Fall zehn für die drei.“ Ich lachte laut auf. Der „Hühner-Unternehmer“ fügte hinzu: „Wir zwei haben dieselbe Wellenlänge!“
K.W.
Ein Kind einer meiner Religionsgruppen lebt in einer schwierigen Familiensituation. Oft zieht es sich aus Wut und Traurigkeit komplett zurück. Manchmal fasst es vorsichtig Vertrauen und arbeitet ein wenig mit. Als wir uns die Frage stellten: „Was macht dich glücklich?“, bat ich die Kinder, sich Bilder anzuschauen, die ich mitgebracht hatte. Dieses Kind suchte sich ausgerechnet das eines betenden Kindes aus. Ganz leise erzählte es dazu: „Ich glaube, Gott hört mir immer zu und versteht mich. Dann bin ich gar nicht mehr allein.“ Nach langer Zeit sah ich wieder etwas wie Hoffnung in seinen Augen.
A.K.
Als ich heute Morgen beim Einkaufen im Supermarkt an einem großen Einkaufswagen vorbeikam, in dem eine Verkäuferin leere Kartons stapelte, bemerkte ich, dass zwei von ihnen auf dem Boden lagen. Da ich befürchtete, sie versehentlich umgestoßen zu haben, entschuldigte ich mich, hob die Kartons auf und legte sie auf den Wagen. Die Verkäuferin bedankte sich bei mir und sagte, ich solle mir keine Sorgen machen. Dann kommentierte sie laut: „Solche Freundlichkeit ist selten.“ Eine andere Person, die vorbeikam, bestätigte: „Das stimmt!“ Daraufhin erklärte ihr die Verkäuferin, was passiert war. Mich freute diese kleine Episode, denn die Reaktion schien mir wie eine unerwartete „Liebkosung“ Gottes.
G.S.
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Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, März/April 2025.
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