Passiert
Aus dem Leben mit dem Wort
Ich besuche regelmäßig ein pflegebedürftiges Ehepaar. Als ich bemerkte, dass es der Frau immer schlechter ging, fragte ich, ob unser Pfarrer sie besuchen sollte. Sie waren nie eifrige Kirchgänger. Sie konnte sich nicht durchringen, und ich verstand das. Später fragte ich nochmal, wieder kaum eine Reaktion – aber keine Ablehnung. So sprach ich mit dem Pfarrer. Er war noch nicht lange in der Gemeinde und wollte ohnehin alle Pfarrmitglieder kennenlernen. So bat er mich, mit ihm hinzugehen. Die beiden waren so erfreut und vereinbarten einen weiteren Besuch. Mittlerweile hat der Mann schon zweimal nachgefragt, ob der Pfarrer nicht wiederkommen könnte.
L.S.
Eine Mitbewohnerin bat mich, ihr ein bestimmtes Lebensmittel zu besorgen. Dabei hatte ich gerade alles für die nächsten Tage gekauft. Trotzdem ging ich am Nachmittag noch einmal los, um das Erbetene zu holen. Vor der Haustür sah ich auf der anderen Seite eine Nachbarin. Ich ging sie grüßen. Dabei erfuhr ich, dass sie in der kommenden Woche wegziehen würde. Der richtige Moment also, um sie zu verabschieden. Meine Tour führte noch bei einer anderen Nachbarin vorbei, um etwas abzugeben. Was finde ich oben auf dem Briefkasten liegen? Mein oranges Plastiksäckli, das ich vor zwei Tagen dort liegen lassen und seither überall gesucht hatte. Nach meinem Einkauf begegnete ich auf dem Heimweg einem Nachbarn, der erst seit Kurzem hier wohnt. Er erzählte, dass ihm vom Arzt empfohlen worden war, in einem Chor zu singen. Ich konnte ihm meinen empfehlen. So viele Begegnungen, weil ich eine Bitte aufgegriffen hatte.
K.R.
Einige Kirchengemeinden unserer Stadt richten jeden Sonntag eine Suppenküche für Obdachlose ein. Wir haben angeboten mitzuhelfen, den Raum vorbereitet und die Leute empfangen. Zwanzig sind gekommen. Wir haben sie bedient, uns mit ihnen an den Tisch gesetzt und ihre Geschichten angehört. Wie viel Schmerz und Leid hinter jeder Geschichte. Sie haben uns gefragt, wer wir sind und warum wir das machen. So erzählten wir von uns und unserem Wunsch, für andere zu leben. Einige bedankten sich bei uns und sagten, dass sie sich gefreut haben über unser Zusammensein. Einer von ihnen wollte bleiben und uns helfen. Die Freude dieser Menschen zu sehen, die so oft alleine sind, hat uns eine noch größere Freude bereitet.
Jugendliche aus Italien

Frühmorgens war ich in einer kleinen Bäckerei, um sieben Brötchen zu kaufen. „Dürfen es auch acht sein, denn die sind im Sonderangebot?“, fragte mich die freundliche Verkäuferin, eine Muslima. „Na klar!“, antwortete ich. Beim Bezahlen war ich bestrebt, das Kleingeld genau abzuzählen. Das brauchte etwas Zeit. Sie schaute mir in Ruhe zu. Als das Geld auf dem Tresen lag, sagte ich: „Ich glaube, das stimmt so. Aber zählen Sie bitte nochmals nach!“ Ihre Antwort: „Oh, ich glaube auch, dass es stimmt!“ – „Dann glauben wir ja schon zu zweit!“, ließ ich sie schmunzelnd wissen. Als ich mich verabschiedete und ihr noch einen guten Tag wünschte, sagte sie verschmitzt: „Herzlichen Dank. Den Glaubenden gehört die Welt!“
M.W.
Es ist ein schöner Tag in Mailand und die Gen4, Kinder der Fokolar-Bewegung, treffen sich und spielen im Freien. Auch andere Kinder spielen in der Nähe. Zwei Kinder aber stehen allein am Rand. Die Gen4 fragen sich: „Warum gehen wir nicht hin und laden sie ein?“ Alle stimmen zu. Giulio und Filippo gehen und fragen die beiden: „Wollt ihr mit uns spielen?“ Die beiden sind schüchtern und warten ab. Die Gen4 spielen weiter. Nach einer Weile kommen die zwei näher. Giulio sieht sie und reicht ihnen sofort den Ball. „Können wir morgen wiederkommen?“, fragen die beiden am Ende.
W.L.
Nach dem Abi wollte ich unbedingt meinen Freiwilligendienst in Indien machen. Davon hatte ich lange geträumt und mich gut vorbereitet. Kurz vor dem Abflug wurde klar, dass ich kein Visum bekommen würde. So zerplatzte mein Traum. Zunächst war ich traurig und enttäuscht. Doch dann entschloss ich mich, meinen Traum loszulassen und dem Leben zu trauen. Mein Freiwilligen-Dienst bot mir eine Stelle im Jugendzentrum in Sarajevo an, der Hauptstadt Bosniens und Herzegowinas. Ich wusste kaum, wo dieses Land lag, sagte aber zu und flog hin. Vor wenigen Tagen bin ich zurückgekommen. Beim Abschied am Flughafen von Sarajevo habe ich dicke Tränen vergossen. Dieses Land, seine warmherzigen Menschen und all die bunten Erfahrungen sind mir so ans Herz gewachsen, dass ich beim Abschied einen Teil von mir zurücklassen musste. Sarajevo war die bisher beste Entscheidung meines Lebens.
M.G.
Ich war mit dem Notdienst ins Krankenhaus gebracht worden. Meine Tochter wurde informiert, kam hin und wartete vor der Station, in der ich untersucht wurde. Dort waren auch mehrere verschleierte Frauen. Nach einer Weile fragte eine von ihnen meine Tochter, ob sie etwas dagegen hätte, wenn sie für ihre Mutter beten würden. Dann legten alle ihre Jacken und Mäntel auf den Boden, knieten sich hin und beteten eine Weile. Anschließend fragten sie meine Tochter, warum sie hier sei. Sie erzählte, dass sie für mich, ihre Mutter, gekommen sei. Daraufhin legten wieder alle ihre Mäntel auf den Boden und beteten, dieses Mal für mich.
A.H.
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Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, Mai/Juni 2025.
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