Enttäuscht und doch hörbereit
Weihnachten: Welchen Zugang haben Sie zu Josef?
Auf die Stimme Gottes hören, das sagt sich so leicht und ist manchmal so schwer.
Maria war dem Josef zur Ehe versprochen. Dann wurde sie schwanger. Was für ein Kampf mag in Josef stattgefunden haben: Liebe, Verzweiflung, Wut, Enttäuschung. Er hätte Maria auf die Anklagebank bringen können – Ehebruch. Er verzichtet darauf, aus Liebe. Er wusste, er war nicht der Vater des Kindes. Die Enttäuschung schmerzt so sehr, dass er Nazareth heimlich verlassen will. Dann bleibt er doch. Warum? Ein Bote Gottes erscheint ihm, es ist Nacht: Das Kind, das Maria gebären wird, ist von Gott. Er sagt Ja zu dieser Situation und holt Maria zu sich ins Haus. 1
„Nacht“ steht auch für das Dunkle im Leben. Sehnsüchte sind zerbrochen; Enttäuschungen erdrücken; die Verzweiflung sieht keinen Sinn mehr. Und doch schafft Josef es, in seinem Schmerz auf die göttliche Nachricht zu hören.
Josef, das kann ich von dir lernen: All die schmerzvollen Erfahrungen im Leben lassen sich nicht wegdiskutieren. Aber du lässt sie keine Macht über dich gewinnen. Du hast dem Wort Gottes vertraut. Wie oft lass ich mich hinreißen zu Zornausbrüchen, machen Enttäuschungen mich schlapp und Gottes Wort verhallt ungehört. Josef, mein Vorbild, zeigt, es geht auch anders.
Josef zieht Jesus auf wie einen eigenen Sohn. Mir gefällt wie etlichen, vor allem evangelischen Theologen die Vorstellung, dass er nicht auf eigene Kinder verzichten musste. Diesen Schluss belegen einige Bibelstellen: „Und er (Josef) erkannte sie (Maria) nicht, bis sie einen Sohn gebar.“ 2 – „Ist er nicht Marias Sohn, der Bruder des Jakobus und Joses und Judas und Simon? Sind nicht seine Schwestern auch hier bei uns?“ 3
Josef, ein Mann, der Weihnachten häufig vergessen wird. Ein Hörer auf Gottes Wort und Vater.
Jörg Schlüter
1) Matthäus 1,18ff
2) Matthäus 1,25; „erkennen“ steht auch für körperliche Vereinigung
3) Markus 6; Matthäus 14; Lukas 4
(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Dezember 2016)
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