17. Januar 2016

“München 2016” entgegen

Von nst1

Das internationale Netzwerk von Bewegungen und Gemeinschaften unterschiedlicher Kirchen – „Miteinander für Europa“ – bereitet sich auf eine nächste Etappe des gemeinsamen Weges vor: Vom 30. Juni bis 2. Juli lädt es nach München ein: zu einem Kongress im Cirkus Krone-Bau und einer Kundgebung auf dem Stachus.

„Einheit ist möglich.“ Dieser Satz springt einem sofort ins Auge, wenn man die Broschüre des internationalen Netzwerkes „Miteinander für Europa“ (MfE) aufschlägt. Er wirkt in seiner Selbstverständlichkeit fast provokant. Wenn man genauer hinschaut, weiterliest oder sogar die Gelegenheit hat, den Protagonisten zuzuhören, versteht man: Genau das ist die Erfahrung in etwas mehr als 15 Jahren von Weggefährten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die derzeit europaweit etwa 300 Gemeinschaften und Bewegungen des Netzwerkes kommen aus dem evangelischen, katholischen, anglikanischen, orthodoxen und freikirchlichen Raum, haben unterschiedlichste Gaben (Charismen) und damit Aufträge, für die sie stehen, und behaupten von sich, ebenso unterschiedlich zu sein, wie die Kulturen, Sprachen und Regionen Europas.

„Einheit ist möglich.“ Das ist ihre Erfahrung, ihre Überzeugung und ihre Leidenschaft. Dafür setzen die Protagonisten vieles ein, Zeit, Mühen, Kräfte, Ideen, dafür reisen sie quer durch Europa. Wie Catarina, eine portugiesische Studentin der Wirtschaftswissenschaften. Sie engagiert sich im Regionalkomitee von „Miteinander für Europa“ ihrer Heimatstadt Porto und ist eine von 100 Teilnehmern aus 12 Ländern, die sich vom 12. bis 14. November letzten Jahres in Marienkroon (Holland) einfanden.

Dieses Mal war die jährliche Begegnung in erster Linie ein Arbeitstreffen. Denn im Mittelpunkt stand die Vorbereitung auf das nächste große Event von „Miteinander für Europa“: Nach Stuttgart 2004 und 2007 und Brüssel 2012 laden die Bewegungen und Gemeinschaften vom 30. Juni bis 2. Juli unter dem Motto „Miteinander für Europa. Begegnung. Versöhnung. Zukunft.“ nach München ein.

Seit zwei Jahren läuft der Vorbereitungsprozess. „Als wir uns 2013 in Paris trafen,“ erinnert sich Diego Goller, der am internationalen Zentrum der Fokolar-Bewegung für das MfE arbeitet, „stand auch die Frage im Raum, was wir im Blick auf das Reformationsgedenken 2017 einbringen können.“ Die Antwort war allen schnell klar: „Einheit ist auch heute schon möglich. Das haben wir erfahren als Christen unterschiedlicher Kirchenzugehörigkeit und Kulturen. Und diese Erfahrung können wir den Christen, den Kirchen, der Gesellschaft anbieten.“ Versöhnung steht im Mittelpunkt von „München 2016“. Denn, so heißt es in der Einladung, „wir haben erlebt, dass Versöhnung ein Tor zur Einheit in Verschiedenheit ist.“

2016-MuenchenDas grobe Raster steht, die Ausgestaltung ist in den kommenden Monaten noch zu leisten. Geplant ist „München 2016“ sozusagen in drei Etappen: Ein Kongress für 2 500 Teilnehmer vom 30. Juni bis 1. Juli im Circus Krone-Bau, der sich in erster Linie an die Angehörigen der Gemeinschaften wendet. Inhaltlich sollen dabei die vielfältigen Auswirkungen des Miteinanders vertieft werden, die Antwort auf Fragen unserer Gesellschaft sein können. Neben Plenumsveranstaltungen mit Zeiten für Lobpreis und Impulsreferaten gibt es am Donnerstag 19 Foren. Diese werden teilweise schon seit Monaten von Vertretern mehrerer Gemeinschaften und Bewegungen vorbereitet. Freitag hingegen stehen 16 Podien auf dem Programm, die im Unterschied zu den Foren mit Impulsreferaten von Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft beginnen und dann in einen offenen Dialog mit dem Publikum münden.

Wie so oft scheint auch hier der Weg das Ziel zu sein. „Dadurch, dass wir die Foren und Podien so bunt zusammengesetzt gemeinsam vorbereiten, kommen viele Angehörige der unterschiedlichen Gemeinschaften zusammen, lernen sich kennen, entdecken den Reichtum, der im jeweils anderen steckt. Gleichzeitig fordert das alle heraus, ins Wort zu fassen, was ihnen selbst oft so selbstverständlich und vertraut ist, und gut hinzuhören, was der andere wirklich meint.“ Diese Begegnung „von Herz zu Herz“ und die Entdeckung, dass äußerlich auch noch so unterschiedliche Formen dann kein Hindernis mehr sein müssen, ist wohl auch eine beständige Wegerfahrung im Miteinander.

An den Kongress schließt sich eine Kundgebung am 2. Juli auf dem Karlsplatz – dem Stachus – an. „Damit möchten wir die Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Kongress nach außen tragen“, schreiben Gerhard Pross vom CVJM Esslingen und Sr. Anna-Maria aus der Wiesche von der Christusbruderschaft Selbitz in einem Newsletter. „Die Kundgebung soll Freude, Hoffnung, Schönheit, Weisheit, Fantasie zum Ausdruck bringen. Sie soll einen Eindruck von dem Europa vermitteln, für das wir uns einsetzen.“ Bei aller Begeisterung hinauszugehen, klingt aber auch Sorge mit: „Mit der Kundgebung stehen wir vor Neuland. Da ist eine besondere Dynamik notwendig. Lange Reden wird es keine geben, stattdessen kurze, hoffentlich packende Statements und Zeugnisse.“

Parallel zur Kundgebung in München erhoffen sich die Verantwortlichen – als drittes Element von „München 2016“ – „auch in vielen anderen Städten und Orten Veranstaltungen“. So werde die vor Ort verwirklichte Zusammenarbeit ans Licht kommen und das Netzwerk sichtbar, das über den gesamten Kontinent verbreitetet ist.

Es gibt noch einiges zu tun. Das hört man an allen Enden heraus. Und die gemeinsamen Entscheidungen benötigen Zeit – gerade wegen der Vielfalt der Beteiligten und damit sie nachher Ausdruck des Miteinanders sind. Und weil das immer wieder den Beistand Gottes braucht, wird die Vorbereitung von vielen durch eine intensive Gebetsnovene und Pilgerwege begleitet.

„Selbstverständlich“ informiert das Netzwerk auch Verantwortliche aus Kirchen, Politik und Gesellschaft über das Vorhaben. So gab es Begegnungen mit dem Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, und dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx. Beide Bischöfe haben sowohl ihr Kommen wie auch ihre Unterstützung zugesagt. Auch zwischen dem Vizepräsidenten des Lutherischen Weltbundes, Bischof Frank Otfried July, und Mitgliedern des Leitungsteams ergab sich ein offenes, persönliches Gespräch. „Solche Begegnungen sind Sternstunden!“, beschreibt Gerhard Proß, der am Rande eines ökumenischen Treffens von Bischöfen in Istanbul auch Patriarch Bartholomäus über „München 2016“ informieren und ihn dazu einladen konnte. Pater Heinrich Walter von der Schönstatt-Bewegung nutzte eine Audienz bei Papst Franziskus, um ihm die Broschüre des Miteinanders zu überreichen und stieß auf großes Interesse. Die Resonanz bei Politikern und gesellschaftlich Verantwortlichen ist zögerlicher. „Anfragen und Kontakte laufen, aber die legen sich noch nicht fest.“ Aber – so sind die Verantwortlichen sicher – wenn es sein soll, werden sich auch da noch Wege öffnen.

„Auf Wiedersehen in München“, verabschiedete sich Catarina in Marienkroon am 14. November 2015, dem Tag nach den Anschlägen von Paris. Die Nachricht hatte die Mitglieder des Netzwerkes getroffen. Schock, Fassungslosigkeit, Entsetzen, Unsicherheit, Sorge um Verwandte oder Bekannte, Trauer, auch Angst. Gemeinsames Beten und Schweigen. All das hatten sie an diesem Vormittag gemeinsam durchlebt. Dann unterstrichen sie die gemeinsame Verpflichtung, „uns noch intensiver für die Werte Europas einzusetzen … Wir wollen noch tiefer die gegenseitige Liebe leben und alle Kräfte des Vertrauens stärken.“
Und auch wenn das nicht in der Erklärung steht, die sie nach außen geben, ist doch allen klar: Jetzt erst recht muss, kann und soll „München 2016“ stattfinden.
Gabi Ballweg

Eine Broschüre und weitere Infos finden Sie auf der neuen internationalen Homepage: www.together4europe.org – dort gibt es auch die Links zu den nationalen Homepages in Deutschland und der Schweiz.

„ Miteinander für Europa“
Das Miteinander christlicher Bewegungen und Gemeinschaften ist ein internationales Netzwerk, das sich über Europa erstreckt. In diesen Gemeinschaften sind evangelische, katholische, anglikanische, orthodoxe und freikirchliche Christen engagiert. Das Netzwerk ist 1999 entstanden.
In ganz Europa sind inzwischen etwa 300 christliche Bewegungen, Gemeinschaften und Kommunitäten miteinander auf dem Weg. Sie suchen ein Miteinander in der Vielfalt der unterschiedlichen Spiritualitäten, Charismen und Strukturen. Ziel ist eine gelebte Gemeinschaft aus dem Reichtum der verschiedenen Gaben.
Besonders setzen sie sich ein für das Leben in allen Phasen seiner Entwicklung; für Ehe und Familie; für den Schutz von Natur und Umwelt; für Arme und Bedürftige, die am Rande der Gesellschaft stehen; für eine Wirtschaftsordnung, die sich am Menschen und am Gemeinwohl orientiert; für Frieden und Ausgleich in der Gesellschaft und für Kinder und Jugendliche.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Januar/Februar 2016)
Ihre Meinung ist uns wichtig, schreiben Sie uns! Anschrift und E-Mail finden Sie unter Kontakt.