4. Februar 2025

Raus aus der Ohnmacht

Von nst5

Die zahllosen Nachrichten von Kriegen lassen oft hilflos zurück.

Eine Initiative der Fokolar-Bewegung lädt dazu ein, gemeinsam “Schritte zum Frieden” zu gehen. Wie es dazu kam.

„Frieden aufbauen, das ist ein Prozess, ein Weg. Schritt für Schritt können wir daran mitarbeiten, das braucht Geduld und Ausdauer. Damit können wir etwas Gutes, etwas Schönes schaffen.“ Diese Einladung hatte Fokolar-Präsidentin Margaret Karram an verschiedenen Stellen formuliert und damit die Hoffnung verbunden, dass viele Angehörige und Freunde der Fokolar-Bewegung in diesem kommenden Jahr aktiv und kreativ werden und sich ganz konkret für Frieden einsetzen.
Das hört sich prima an. Denn noch selten schien Frieden so bedroht wie in unserer Zeit. Die Nachrichten sind voll mit Berichten über unzählige kriegerische Auseinandersetzungen weltweit und über Menschen, die an Gewalt und Unterdrückung leiden. So voll jedoch, dass so manch einer sie schon kaum mehr lesen, hören oder sehen mag. Dass da „ja nur noch von Kriegen die Rede ist“, macht hilflos. Lähmt. Und bei aller Sehnsucht nach Frieden fragen sich viele in Gedanken oder Gesprächen deshalb auch ratlos: „Was kann ich denn schon tun, damit sich da etwas ändert? Was kann ich zum Frieden beitragen?“
Wie also umgehen mit der Einladung, am Frieden mitzubauen? Genau diese Frage stellten sich im Oktober in Wien auch etwa 25 Mitglieder der Fokolar-Bewegung. Sie waren Teil des gut 80 Personen umfassenden Koordinierungsteams, dass das Leben der geistlichen Gemeinschaft in Deutschland, Österreich und der Schweiz im Blick hat und an einem Wochenende gemeinsam auf die Schwerpunkte im kommenden Jahr schaute. Einer davon eben auch das mögliche Engagement für den Frieden.
Wie sich schnell herausstellte, hatten auch diese 25 Personen keine Antworten parat. Einige gestanden hinterher gar: „Eigentlich bin ich in diese Arbeitsgruppe gegangen, weil mir selbst so gar nichts einfiel, was ich tun kann.“ Wovon also ausgehen? „Am besten von dem, was jede und jeden bewegt“, hatte sich das kleine Vorbereitungsteam gesagt und sich im Vorfeld erst einmal selbst gefragt, was ihnen dazu unter den Nägeln brennt: Was schenkt (mir) Frieden? Wie erlebe ich den Umgang mit Konflikten in meinem persönlichen Umfeld? Wo sehe und erlebe ich Spannungsfelder in gesellschaftlichen Kontexten? Was macht einen „gerechten Frieden“ aus?
Genau das waren dann auch die Themenbereiche in wechselnden Gruppen an vier Tischen. Eigene Erfahrungen, Fragen, Zweifel konnten ins Wort kommen. Stichpunkte fanden den Weg auf das große Plakat in der Mitte. Die „Tischpaten“ halfen, manche Gedanken klarer zu fassen. Die Teilnehmenden ergänzten, kommentierten, hinterfragten und setzen das eine oder andere untereinander in Verbindung. Im „World-Café“ – so der Name des methodischen Vorgehens – kam es so an den Tischen schnell zu lebhaften Gesprächen. Nach dem zeitlich festgelegten Wechsel an einen anderen Tisch boten diese Stichpunkte der neuen Runde schnell die Möglichkeit, in das „neue“ Thema einzusteigen. Sie ergänzten, hinterfragten, unterstrichen wieder. Die Plakate wurden Ausdruck des „dynamischen Geschehens“, das alle überraschte. „Meine Hilflosigkeit war aufgebrochen“, erzählte jemand in der Pause staunend.
Und das Staunen hielt an. Denn der anschließende gemeinsame Blick auf die zentralen Erkenntnisse aus den Tischgesprächen zeigte eindrücklich: Frieden spielt sich auf vielen Ebenen ab. Er braucht unterschiedliche „Fertigkeiten“ und viele davon kann man einüben.
So berichtete Elisabeth Pohl, „Tischpatin“ für die Frage „Wie kann ich Frieden in mir finden?“: „Wir sind der Frage nachgegangen, was mich unterstützt, inneren Frieden zu finden und zu bewahren. Eine gute Verankerung – auch in Gott – schien uns wichtig. Wertvolle Hilfsmittel können dabei sein: Gottvertrauen und Grundvertrauen sowie Elemente der Selbstfürsorge, Gebet und Stille, Wege zu Versöhnung und Vergebung. Dienlich kann es auch sein, den inneren Abstand zu wahren oder gegebenenfalls Hilfe anzunehmen.“
Mit Blick auf den Umgang mit Konflikten im eigenen Umfeld hielt die Gruppe fest: „Auch unter Menschen, die sich im selben Wertesystem – auch im Charisma der Einheit – beheimatet fühlen, gibt es Unterschiede in der Religionszugehörigkeit, Kultur, ethischen oder politischen Positionen. Wie gehen wir damit um? Begegnen wir diesen ‚Anderen’ mit Nachfragen und wohlwollender Neugier oder versuchen wir, möglichst rasch wieder Harmonie herzustellen, indem wir etwa das Thema wechseln? Wie geschult sind wir im empathischen Sprechen und Zuhören oder im Austragen von Konflikten?“
Udo Stenz, „Tischpate“ bei „Spannungsfelder im gesellschaftlichen Umfeld“, sagte: „Hier sehen wir uns häufig herausgefordert, für Frieden einzutreten und Sorge zu tragen. Manchmal sind wir selbst involviert, manchmal von außen her gefragt. Bei der Gratwanderung zwischen dem rechten Maß an ‚Hören oder Sprechen, Distanz halten oder einsteigen’ kann helfen: Beziehungen aufbauen und fördern, den ersten Schritt machen, Mut zur Bitte um Entschuldigung, ins Hören einüben und versuchen, Beweggründe zu verstehen.“
Die Gruppe „Gerechter Friede“ berichtete: „Wir kamen von der persönlichen Überwindung von Pessimismus und Depression angesichts der täglichen negativen Nachrichten zur notwendigen ersten Grundlage: Was ist denn das richtige Verständnis von Gerechtigkeit? Dabei gilt es den Schmerz des je anderen in den Blick zu nehmen und auch darum, die kulturellen und historischen Kontexte zu kennen.“
Schnell zeichneten sich erste konkrete Ideen ab. Der einen kamen spielerische Elemente in den Sinn, dem anderen ein hilfreicher Videoclip zur Vertiefung eines Elementes. Eins kam zum anderen und „plötzlich“ zeichnete sich ein möglicher Weg in monatlichen Etappen bis Mai 2025 ab – der dann auch im Plenum auf große Resonanz stieß.
Und die Teilnehmenden? „Ich wurde überwältigt, wie schnell konkrete Ideen in eine sinnvolle Reihenfolge kamen.“ – „Wie aus dem Miteinander, aus dem Ideen-Teilen etwas Konkretes entsteht, das hat mich beeindruckt.“ – „Persönlich mitgenommen habe ich mir den Wunsch, das Vertrauen in Gott in mir groß zu machen und möglichst Frieden in mir und mit den anderen im Kleinen zu schaffen, wenn er mal schiefhängt. Und daran zu denken, dass es so viele Personen und Gruppen gibt, die sich für den Frieden einsetzen, auch wenn ich mich selbst so hilflos und ohnmächtig fühle.“ – „Mitgenommen habe ich eine vertiefte Sensibilität für die unterschiedlichen Ausgangslagen und Zusammenhänge, in denen sich die Thematik darstellt.“
Frieden ist ein Prozess. Ein Weg. Schritt für Schritt können wir daran mitarbeiten. So lautet die herausfordernde Einladung von Margaret Karram. Die Arbeitsgruppe hat sie angenommen und schon eine „beeindruckende Erfahrung“ des gemeinsamen Weges gemacht. Wer weiß? Vielleicht eröffnen die vorgeschlagenen Etappen auch vielen anderen die Möglichkeit, „etwas Großes, Schönes“ zu erleben.
Gabi Ballweg

Schritte zum Frieden
Wer den Friedensweg mitgehen möchte, kann sich gern jederzeit anschließen – allein oder mit anderen. Die monatlichen Etappen finden sich mit einem Link zu einer digitalen Pinnwand (QR-Code unten) für den Austausch mit anderen auf den Homepages der Fokolar-Bewegung.
Im Dezember lud die erste Etappe „Hoffen“ mit konkreten Vorschlägen dazu ein, bewusst Herz, Augen und Ohren für gute, Mut machende und hoffnungsvolle Nachrichten zu öffnen.
Andere verstehen, einander zuhören – das scheint so einfach und ist doch oft so schwer. Im Januar gibt es deshalb Anregungen und Schulungsmaterial zur Kultur des empathischen Zuhörens sowie Ideen für Filmabende, um so das Zuhören bewusst zu üben.
Haltungen, die eine positive Konfliktfähigkeit stärken, stehen im Februar im Blickpunkt und können bei einem Spieleabend mit anderen am besten gleich konkret geübt werden.

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Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, Januar/Februar 2025.
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