10. Januar 2010

Wort des Lebens – Januar 2010

Von nst_xy

„Gott wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein.“ (Offenbarung 21,3)

Vom 18. bis 25. Januar wird in vielen Teilen der Welt die „Gebetswoche für die Einheit der Christen“ begangen. Chiara Lubich hat über viele Jahre hinweg das jeweilige Leitwort der Gebetswoche als „Wort des Lebens“ kommentiert. Diesmal lautet es: „… und ihr seid Zeugen“ (vgl. Lukas 24,48). Folgender Text möchte eine Hilfe sein, dieses Wort zu leben. Er ist ein nachdrücklicher Aufruf an die Christen, der Welt die Gegenwart Gottes gemeinsam zu bezeugen:

„Gott wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein.“

Das Wort Gottes für diesen Monat fordert uns heraus. Wenn wir zum Volk Gottes gehören wollen, dann sollten wir ihm Raum geben, damit er unter uns wohnen kann.
Wie ist das möglich? Was muss geschehen? Wie können wir schon auf Erden, etwas von jener besonderen Freude erfahren, die uns zuteil wird, wenn wir Gott von Angesicht zu Angesicht schauen?
Die Botschaft Jesu ist Antwort auf diese Frage. Er ist gekommen, um uns in seine Beziehung der Liebe zum Vater hineinzunehmen; auch wir sollen so leben können.
Schon jetzt kann eintreten, was dieses Wort verheißt: Gott wohnt in unserer Mitte. Die Voraussetzungen dafür finden wir in den Texten der Kirchenväter. Bei Basilius heißt es zum Beispiel, es sei notwendig, entsprechend dem Willen Gottes zu leben; bei Johannes Chrysostomus: zu lieben, wie Jesus geliebt hat. Theodor von Studion nennt als Bedingung die gegenseitige Liebe, während für Origines die Übereinstimmung von Denken und Fühlen zur Eintracht führt und so dem Sohn Gottes Raum gibt.
„Wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns“,1) heißt es im ersten Johannesbrief. Und: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“2)

„Gott wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein.“

Der Tag, an dem sich alle Verheißungen des Alten Testaments erfüllen, ist demnach nicht fern oder gar unerreichbar: „Bei ihnen wird meine Wohnung sein. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein.“3)
Im Gegenteil: In Christus sind diese Verheißungen schon Wirklichkeit geworden. Er ist bei denen gegenwärtig, die sich sein Gebot der gegenseitigen Liebe zu Eigen machen. Diese Lebensregel lässt aus vielen ein Volk werden: das Volk Gottes.
Dieses „Wort des Lebens“ ist ein Aufruf besonders an uns Christen, durch die Liebe die Gegenwart Gottes in der Welt zu bezeugen. „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.“4) Wird das „neue Gebot“ gelebt, schafft es die Voraussetzung für die Gegenwart Jesu unter den Menschen.
Nichts vermögen wir ohne seine Gegenwart. Sie gibt jener Geschwisterlichkeit Sinn, die Jesus für alle Menschen auf die Erde gebracht hat.

„Gott wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein.“

Den Christen der verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften ist es aufgetragen, der Welt das eindrückliche Beispiel eines einzigen Volkes zu geben, eines Volkes, das sich aus allen Rassen und Kulturen zusammensetzt, aus Großen und Kleinen, Kranken und Gesunden; ein Volk, von dem man – wie von den ersten Christen – sagen kann: „Seht wie sie einander lieben und bereit sind, füreinander das Leben zu geben!“
Die Menschheit wartet auf dieses Zeugnis, das ihr neue Hoffnung geben kann. Es ist außerdem ein notwendiger Beitrag zum Fortschritt in der Ökumene, auf dem Weg zur vollen und sichtbaren Gemeinschaft der Christen.
Mit ihm unter uns kann dieses Wunder gelingen; denn er kann den Lauf der Welt ändern und die ganze Menschheit zur Einheit führen.
Chiara Lubich

Erstmals veröffentlicht in: NEUE STADT, Januar 1999

1) Erster Johannesbrief 4,12
2) Matthäus 18,20
3) Ezechiel 37,27
4) Johannes 13,35.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Januar/Februar 2010)
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