4. April 2024

Mit anderen Räume öffnen

Von nst5

Ulrike und Bernhard Egermann fragen sich oft: Wie lassen sich Menschen heute für zutiefst Menschliches und Göttliches ansprechen?

Foto: privat

Ulrike (52) und Bernhard (53) Egermann
wohnen seit 25 Jahren im westfälischen Hamm und haben drei erwachsene Kinder. Ulrike ist Pop-Kirchenmusikerin und arbeitet für eine evangelische Stiftung im Bereich Ehrenamt, Seelsorge, Diakonie. Bernhard ist Schulleiter einer Grundschule und ehrenamtlich im Synodalvorstand vom Evangelischen Kirchenkreis Hamm. Zusammen engagieren sie sich als Musiker bei kirchlichen Events.


Bernhard: Mich fasziniert Theologie, das Nachdenken über den Glauben. Aber ich merke immer mehr, wie entscheidend das Persönliche ist: das Gespräch, das Miteinanderleben! Wir machen einmal im Monat einen „Sound and Silence“-Gottesdienst mit den Schwerpunkten Musik und Stille.1 Unser Pfarrer steigt immer mit etwas Persönlichem ein. Und persönliche Bezüge prägen den ganzen Gottesdienst. Gestern hatten wir vom Kirchenkreis wieder „Musik für die Seele“: Menschen wünschen sich ihre Songs, querbeet durch alle Musikrichtungen, und das Ganze wird zusammen mit Radio Lippewelle moderiert. Von kirchlicher Seite wurde nur an zwei, drei Stellen kurz etwas gesagt: „‚Fix you‘, ein Titel von Coldplay, könnte auch Gott zu mir sagen: Ich heile dich, ich bin bei dir, ich stärke dich!“ Oder zu „My Lighthouse“ von Rend Collective: „Für mich ist dieser Leuchtturm Gott!“ Bei der Musik gehen die Leute voll mit. Dabei geht so eine persönliche Bemerkung unheimlich tief rein. Da schimmert etwas davon durch, wie Gott ist oder sich zeigen will. Das wünsche ich mir für meine Arbeit, das kirchliche Engagement, unsere
Freundschaften: Momente großer Natürlichkeit, Inseln, Leuchttürme, wo dieses Licht aufscheinen kann.

Ulrike: Wir versuchen, Räume zu schaffen, wo wir miteinander in Resonanz gehen können: uns zutiefst als Menschen erleben, mit derselben Sehnsucht, trotz aller Verschiedenheit.
Wer meint, Gott zu kennen und die Erkenntnis anderen weitergeben zu können, wird nicht damit landen. Oft kann ich doch gar nicht sagen, wie Gott wirklich ist! Er ist Liebe – ja, aber er hat auch harte Aspekte. In seiner Schöpfung erlaubt er Licht und Dunkel, Tod und Leben. Ich habe auf Beerdigungen von Babys musiziert, von einer Austauschschülerin, die beim Kanu-Fahren verunglückt war. Warum müssen Unschuldige so leiden? Das klage ich Gott. Es zeigt sich kein Sinn. Gott ist rätselhaft. Er „macht“ die schrecklichen Dinge nicht, aber er ist da, er will trösten. Ich glaube das, fühle es manchmal wie eine wunderbare Ahnung. Für die, die um einen Jugendlichen trauern, der sich umgebracht hat, bleibt jedoch das Warum. Da kann ich nicht so tun, als wäre Gott einfach zu begreifen! Wir durchleben doch selbst Unsicherheiten, Fragen, Zweifel an den gängigen Gottesbildern; ringen um verstehbare Bilder. So sind wir Suchende an der Seite von Suchenden. Wir sind zusammen unterwegs. Mal still, mal im Gespräch. Diese Gespräche über Gott liebe ich. Aber leicht sind sie nicht. Und vielleicht auch nie zu Ende.

Bernhard: Räume öffnen, in denen wir uns begegnen, miteinander sprechen und aufs Wesentliche kommen können: Darin sehe ich auch die Zukunft der Fokolar-Bewegung. Sich nicht fragen, was machen wir und was können wir geben, sondern etwas mit anderen zusammen tun und ihnen so den Raum geben, selbst zu leuchten. „Musik für die Seele“ zeigt: Kirche ist immer dort besonders lebendig, wo sie zusammenarbeitet. Im Zusammenspiel mit einem Radiosender, der Stadt, der Politik, Vereinen, Experten können diese Räume entstehen. Und gerade dabei kommt es oft zu den stärksten Momenten!

1 Instagram (auch Gottesdienste): soundandsilence.hamm
Lieder bei Spotify/anderen Audio-Streaming-Diensten: SOUND AND SILENCE


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Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, März/April 2024.
(c) Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München.
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