4. April 2024

Gott ist schon da

Von nst5

Mit dem Bekenntnis zum eigenen Glauben

ist das so eine Sache. Wie ist es möglich, mit Einfachheit das weiterzugeben, was das eigene Leben erfüllt und schön macht?


„Wir haben im Religionsunterricht über das Beten gesprochen. Zu Hause beten wir regelmäßig vor den Mahlzeiten und vor dem Schlafen. Als der Lehrer uns fragte, ob wir beten oder überhaupt an Gott glauben, zögerte ich ein wenig. Was denken die anderen von mir? Vielleicht bin ich ja der Einzige! Dann besann ich mich und dachte mir, warum habe ich eigentlich Angst? Gott ist bei mir und beschützt mich. Also meldete ich mich, obwohl manche Klassenkameraden mir abschätzige Blicke zuwarfen. Ich war froh, dass ich den Mut hatte, meinen Glauben zu bezeugen, während andere, mit denen ich meine Erstkommunion gefeiert hatte, stumm geblieben waren.“
Dieses Erlebnis eines 13-jährigen Schülers aus der Schweiz lässt einiges von dem aufscheinen, was uns beschäftigt hat, während wir an dieser Ausgabe mit dem Schwerpunktthema „Gott bezeugen“ gearbeitet haben.
Mit dem Bekenntnis zum eigenen Glauben ist das so eine Sache. Dabei leben wir doch in einer Zeit, in der viele Menschen ungeniert zeigen, was ihnen gefällt oder wichtig ist. Auf Instagram, Facebook und TikTok geben unzählige Menschen mehrfach am Tag Einblick in ihre Vorlieben, Lebensweise und Überzeugungen. Viele von ihnen haben eine riesige Zahl von Followern (Abonnenten) und nehmen nicht unerheblichen Einfluss auf deren Einstellungen und Gewohnheiten. Wer so öffentlich Anteil an seinem Leben gibt, macht sich dadurch angreifbar. Doch grundsätzlich ist diese Form des Bekenntnisses anerkannt, ja sogar gesucht. Das gilt auch für lebensanschauliche und religiöse Themen.
Wenn es trotzdem oft schwierig ist, sich zu seinem Glauben zu bekennen, dann gibt es dafür eine Vielzahl von Gründen. Etwa die Angst, abgelehnt zu werden. Da der Glaube, die Beziehung zu Gott etwas sehr Persönliches, ja Intimes ist, tut Ablehnung besonders weh. Interessant dabei ist, dass die Ablehnung nicht unbedingt der einzelnen Person gilt. Ein Christ wird in aller Regel sofort mit „der Kirche“ in Verbindung gebracht. Und die Kirchen – egal welcher Konfession – haben nun einmal keinen guten Ruf. Zu Recht oder zu Unrecht gelten sie als veraltet, wenig glaubwürdig und weit weg vom Lebensgefühl der meisten Menschen.
Damit sind wir bei einem zentralen Aspekt: Gott bezeugen bedeutet immer auch, eine Gemeinschaft zu bezeugen. Eine Christin, ein Christ steht in diesem Sinne nie für sich allein.
Dies ist ein großer Segen: Der Gott, den wir bezeugen wollen, ist dreifaltig, also Gemeinschaft in sich selbst. Ein Mensch allein kann das schlecht bezeugen. Teil sein dürfen, Anteil zu haben am Größeren, ist daher ein Privileg, wie Petra Hahn in ihrem Beitrag sagt.

Illustration: (c) z_wei (iStock)

Wenn aber die Gemeinschaft, als deren Teil man Zeugnis geben möchte, vor allem mit Macht, Missbrauch und Bevormundung in Verbindung gebracht wird, kann das Privileg leicht zur Last werden. Dann ist Demut gefragt und wir können mit Paulus sagen: „Diesen Schatz tragen wir in zerbrechlichen Gefäßen; so wird deutlich, dass das Übermaß der Kraft von Gott und nicht von uns kommt“ (2. Korintherbrief 4,7). Dann erkennen wir vielleicht neu, was es für unser Zeugnis bedeutet, wenn Jesus sagt: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Matthäus 18,20) oder „ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Matthäus 28,20). Er, den wir bezeugen wollen, ist da. Er selbst wird Zeugnis von sich geben. Welch ein Trost!
Geschichtlich betrachtet sind die Begriffe Mission, Verkündigung, Evangelisierung und Apostolat deshalb belastet, weil die Verbreitung des Christentums immer wieder auch mit Zwang erfolgte, im Gefolge der Kolonisatoren geschah und die Überlegenheit der Weißen vertrat.  
Dabei geht es um eine Botschaft von Fülle, von einem Gott, der nahe ist, das Leben der Menschen teilt. Deshalb, so schrieb die Evangelische Kirche in Deutschland im Dokument „Das Evangelium unter die Leute bringen“ aus dem Jahr 2001, bleibt es „der vornehmste und wichtigste Auftrag der Kirche …, das Evangelium zur Welt zu bringen, zu den Menschen in der Nähe und in der Ferne, und das auf eine einladende Weise.“ Und im Apostolischen Schreiben „Evangelii nuntiandi“ vom Dezember 1975 bezeichnete Papst Paul VI. die Evangelisierung als die „Gnade und eigentliche Berufung der Kirche, ihre tiefste Identität“ (Nr. 14). Es geht schließlich darum, dem Auftrag Jesu nachzukommen: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung!“ (Markus 16,15).
In seiner Botschaft zum Sonntag der Weltmission 2024 macht Papst Franziskus das Anliegen der Evangelisierung deutlich: „Alle, jeder Mann und jede Frau, sind Adressaten von Gottes Einladung, an seiner verwandelnden und rettenden Gnade teilzuhaben.“ Dabei dürfe Missionierung nicht mit Zwang und Nötigung erfolgen, sondern müsse mit Nähe, Mitgefühl und Zärtlichkeit passieren.
Während „Mission“ vor allem auf Menschen zielt, die vom christlichen Glauben bisher noch nicht gehört haben, richtet sich die von Papst Johannes Paul II. angestoßene Neuevangelisierung an Menschen, die sich vom Glauben entfernt haben. In seiner Schrift „Christifideles laici“ (1988) stellte er fest, dass Christen in Europa mehr und mehr leben würden, „als wenn es Gott nicht gäbe“ (Nr. 34). Seither ist im Bemühen um eine zeitgemäße Weitergabe der frohen Botschaft gerade in vermeintlich christlichen Ländern eine große Vielfalt an Angeboten entstanden.
Allerdings wird der Begriff der Neuevangelisierung häufig auf kulturkämpferische Weise verwendet. Die Kirche müsse dem Zeitgeist widerstehen und ein Gegenmodell zur Welt bilden. Der Bochumer Neutestamentler Thomas Söding stellt dem entgegen, dass das frühe Christentum deshalb erfolgreich gewesen sei, weil es sich mit unterschiedlichen Denk- und Glaubenstraditionen etwa von Juden und Griechen auseinandergesetzt und von ihnen gelernt habe. 1 Kann man das nicht auch als Einladung zum Dialog auf allen Ebenen verstehen, aus dem beide Dialogpartner bereichert und vielleicht sogar verändert hervorgehen und in dem auch der Christ seinen Glauben neu und tiefer geschenkt bekommt?
All diese mit dem Thema Verkündigung verbundenen Fragen sind wichtig. Sie sollten einem aber nicht die Freude vermiesen, mit Einfachheit das weiterzugeben, was das eigene Leben erfüllt und schön macht. Wie das gehen kann, dazu wollen die folgenden Seiten Anregungen geben.
Peter Forst

1 vgl. Christoph Paul Hartmann: Neuevangelisierung – ein Begriff, der polarisiert


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Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, März/April 2024.
(c) Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München.
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