3. April 2024

Habt ihr noch keinen Glauben?“

Von nst5

Petra Hahn,

Foto: privat

gehört zur „Vereinigung vom gemeinsamen Leben im Ökumenischen Christusdienst“. Sie lebt seit 32 Jahren in Gemeinschaft mit weiteren Schwestern im Ökumenischen Lebenszentrum Ottmaring bei Augsburg. Als Lehrerin unterrichtete sie Evangelische Religionslehre und Mathematik an einer Realschule und ist derzeit für den Dienst in der Vereinigung freigestellt.


Gott bezeugen kann ich nur aus dem Glauben: aus einem Leben, das sich ganz auf Jesus Christus ausrichtet. Wo immer ich diese Radikalität der Nachfolge, die alles aus Liebe gibt, erfahre und entdecke, berührt sie mich tief, weil sie auf Gott hinweist, der sich im Leben und Leiden Jesu für uns hingibt. Jedes „Ja“ zu Gottes Liebesabsicht mit dieser Welt ist – wie das von Maria – ein Ort der Menschwerdung Gottes unter uns und birgt in sich keimhaft die ganze Zeugenkraft für diesen Gott der Liebe.
Es geht darum, in der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet (vgl. Epheser 3,17) zu sein. Meine Bitte jeden Tag neu ist, dass mein Leben mit meinem kleinen Alltag, den Begegnungen, der Arbeit, auch mit meinem Versagen, eingefügt sei in den Plan Gottes. Teil sein dürfen scheint mir ein Privileg. Weder ich noch irgendjemand von uns ist das Ganze. Teil sein dürfen heißt Anteil haben am Größeren, letztlich am Weg Jesu mit seinen Menschen. Noch dazu ist der dreifaltige Gott in sich ein Gott des gemeinsamen Lebens. Ich allein kann nicht davon zeugen. Meine Hingabe kann nur ein „Mit“ sein – mit Jesus und mit allen, die in der Nachfolge stehen.
Wenn wir Jesu Bitte um die Einheit ernst nehmen, ist das unwiderlegliche Zeugnis nur das gemeinsame, das aller Jünger. Nur wenn und wo wir uns – einzeln, als Konfessionen und Gemeinschaften – als Glieder im einen Leib Christi erkennen und annehmen, können wir wahrhaftige Zeugen sein. Glauben wir das? Machen wir damit ernst? Brennt in uns der Glaube, dass Jesus Christus durch seinen Leib, seine eine Kirche, allen Menschen die Frohe Botschaft verkünden will? In letzter Konsequenz müssen wir dann eingestehen, dass die Probleme der Welt einen inneren Zusammenhang mit dem uneinigen Leben und Zeugnis der Christen haben. Ich erschrecke darüber und kann nur in den Ruf der Kirche einstimmen: Herr, erbarme dich unser! Und zugleich ahne ich ab und an, welche Dynamik es für unser Miteinander hat, wenn wir glauben, dass durch unser Einssein die Welt wahrhaftig Gott erkennen und das Leben wählen kann; und welche Zeugenkraft dann für die Menschen um uns wirksam wird.
Der Heils- und Heilungsweg Gottes hat in der Erwählung seines Volkes Israel eine Spur gelegt: Er erwählt einen Teil fürs Ganze zum Heil und Segen aller. Dieser Ruf zur „Erstlingschaft“ bleibt auch für seine Kirche bestehen. Nicht in Überheblichkeit oder Abgrenzung und doch in dem Gottesbewusstsein, dass er uns dienstfähig für die Welt machen will, indem wir ihr ein Gegenüber bleiben und im Glauben die Wirklichkeit des Einsseins leben. Nur so kann ich Johannes 17 verstehen: Jesu Bitte um das Einssein bezieht sich auf die Jünger und die, die ihr Zeugnis annehmen. Er bittet nicht um das Einssein aller Menschen oder mit allen. Jesus macht einen „Zwischenschritt“. Den dürfen wir nicht überspringen. Gott liebt diese Welt. Doch um sie zu erlösen, hat er den Weg unserer Berufung zu seinem Leib gewählt. Er macht uns damit zu Mitwirkern des Heils. Welch ein Vertrauen?! Zugleich wissen wir, dass es ein Weg des Leidens und Sterbens ist. Welch eine Zumutung?! Von diesem Vertrauen Gottes und der Zumutung des Weges Zeugnis zu geben, ist Lebensaufgabe; mehr noch: die Aufgabe des eigenen Lebens auf Gott und die Menschen hin.


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Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, März/April 2024.
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