Grand Prix der Zufriedenheit
Rückblick aus Sicht des Gastgeberlandes
Zufrieden, das sind wir Deutschen nach dem 56. Eurovision Song Contest, der in diesem Jahr in Düsseldorf ausgetragen wurde. Zufrieden mit dem zehnten Platz für Deutschland. Sehr zufrieden mit einem Team von Moderatoren, die als hervorragende Gastgeber auftraten. Zufrieden mit einer sehr aufwändigen und gleichzeitig nicht überfrachteten Inszenierung. Zufrieden ist auch Italien mit einem guten zweiten Platz bei der ersten Teilnahme seit 1997, und zufrieden können auch die Iren sein, die mit ihren hyperaktiven Pop-Zwillingen Jedward jede Menge Aufmerksamkeit bekamen.
Zufrieden eben. Nicht mehr und nicht weniger. Die großen Gefühle hatte uns Lena im vergangenen Jahr in Norwegen beschert, als sie nach 28 Jahren den Eurovision Song Contest erstmals wieder für Deutschland gewann und eine Welle der Euphorie über das Land schwappte. So musste es uns doch eigentlich klar sein, dass wir in diesem Jahr nicht schon wieder ein Frühlingsmärchen erwarten konnten. Schließlich stehen die Chancen auf den Sieg anders als beim Fussball 24:1. Aber wir haben unsere Chance genutzt, uns als gute Gastgeber zu präsentieren und für eine großartige Party zu sorgen.
Bleibt die spannendste Frage des Abends: Wo ist eigentlich Aserbaidschan? Denn dem kleinen Land, das im Süden an den Iran grenzt, gelang mit dem Gewinn des Eurovision Song Contest die Sensation – ihr Frühlingsmärchen eben. Mit dem Song „Running Scared” holte das Duo Ell & Nikki den Preis nach Baku und das bei der erst vierten Teilnahme von Aserbaidschan an dem europäischen Sängerwettstreit.
Und auch die Frage nach dem Eurovision Song Contest 2012 in Aserbaidschan bleibt spannend. So leben in dem Land am Kaspischen Meer 47 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze, und auch Korruption ist hier ein großes Problem. Am Interessantesten dürfte allerdings die Frage sein, wie man einen Eurovision Song Contest in einem Land veranstaltet, in dem es seit 1992 keine demokratischen Wahlen gegeben hat. Denn Aserbaidschan muss als Gewinnerland den nächsten Grand Prix ausrichten.
Politik und der Eurovision Song Contest, das sind zwei Dinge, die von jeher streng getrennt werden. Das sagt sogar das Regelwerk: Lied oder Auftritt dürfen keine politische Botschaft enthalten oder dem Image des Liederwettbewerbs schaden.
Wir dürfen gespannt sein, wie sich Aserbaidschan in diesem Spannungsfeld zwischen Party und Problemen präsentiert. Und wir dürfen uns darauf freuen, dass der Gesangswettbewerb dieses kleine und unscheinbare Land ein Stück weiter in die Mitte Europas rückt.
Bis es so weit ist, können wir uns noch ein wenig diesem Gefühl der Zufriedenheit hingeben, denn allzu schnell wird dies alles wieder vergessen sein.
Meike Münz
(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Juni 2011)
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