27. November 2011

Wort des Lebens – November 2011

Von nst_xy

„Seid also wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.“ (Matthäus 25,13)

Jesus hat gerade den Tempel verlassen. Die Jünger wenden sich an ihn und weisen auf die Pracht und Größe des Gebäudes hin. Darauf sagt er ihnen: „Seht ihr das alles? Amen, das sage ich euch: Kein Stein wird hier auf dem andern bleiben.“1) Sie gehen den Ölberg hinauf, und Jesus setzt sich. Er blickt auf Jerusalem, das vor ihm liegt, und beginnt, über die Zerstörung der Stadt und über das Weltende zu sprechen.
Wie wird wohl das Ende der Welt vor sich gehen, fragen ihn die Jünger, und wann wird das eintreten? Eine Frage, die sich auch die nachfolgenden Generationen gestellt haben; eine Frage, die jeden Menschen beschäftigen kann. Die Zukunft ist noch verborgen, und oft macht sie uns Angst.
Es gibt Menschen, die Horoskope und Wahrsager zu Rate ziehen, um zu erfahren, was geschehen wird.
Jesus gibt eine Antwort, die einfach und klar ist: Das Ende der Zeiten fällt zusammen mit seinem Kommen. Er, der Herr der Geschichte, wird wiederkommen.
Er ist der leuchtende Punkt unserer Zukunft.
Niemand weiß, wann das Ende der Zeiten sein wird; es kann jederzeit eintreten. Unser Leben liegt in der Tat in seinen Händen. Er hat es uns gegeben, er kann es auch zurücknehmen – unerwartet und ohne Vorankündigung. Dennoch macht er uns aufmerksam, wie wir uns auf dieses Ereignis vorbereiten können.

„Seid also wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.“

Mit diesen Worten erinnert uns Jesus vor allem daran, dass er kommen wird. Unser Leben auf Erden wird enden, und ein neues Leben wird beginnen, das kein Ende mehr kennt. Heutzutage will niemand vom Tod reden. Manches Mal unternimmt man alles, um sich abzulenken, taucht völlig ins Alltagsgeschehen ein, bis man denjenigen vergisst, der uns das Leben gegeben hat und wieder nehmen wird, um uns in die Fülle des Lebens hinein zu führen, in die Gemeinschaft mit seinem Vater, ins Paradies.
Werden wir bereit sein, ihm zu begegnen? Wird unsere Lampe brennen wie die der klugen Jungfrauen, die auf den Bräutigam warten? Werden wir – mit anderen Worten – in der Liebe sein? Oder wird unsere Lampe erloschen sein, weil wir das einzig Notwendige vergessen haben: zu lieben?

„Seid also wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.“

Vor allem ist wachsam, wer liebt.
Das kennt die Frau, die auf ihren Mann wartet, der noch länger zu arbeiten hat oder auf Reisen ist; das weiß die Mutter, die sich um die Tochter sorgt, die noch nicht nach Hause gekommen ist; und auch der Verliebte, der es nicht erwarten kann, die Geliebte wieder zu sehen… Wer liebt, wartet auch dann, wenn sich der andere verspätet.
Wir erwarten dann Jesus, wenn wir uns wirklich wünschen, ihm zu begegnen.
Und wir erwarten ihn, indem wir konkret lieben; indem wir ihm in denen dienen, die uns nahe sind, und indem wir uns für den Aufbau einer gerechteren Gesellschaft einsetzen. Jesus selbst lädt uns ein, so zu leben: im Gleichnis vom treuen Diener, der sich bis zur Rückkehr seines Herrn um die Angestellten und die häuslichen Angelegenheiten kümmert; oder im Gleichnis von den Dienern, die in Erwartung des Hausherrn alles tun, um die ihnen anvertrauten Talente Gewinn bringend anzulegen.

„Seid also wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.“

Da wir weder den Tag noch die Stunde seines Kommens kennen, können wir uns leichter auf das einlassen, was uns im Jetzt erwartet.

„Herr,
lass mich immer reden,
als wäre es das letzte Wort,
das ich sprechen kann.

Lass mich immer handeln,
als wäre es die letzte Handlung,
die ich vollbringen kann.

Lass mich immer leiden,
als wäre es der letzte Schmerz,
den ich dir anbieten kann.

Lass mich immer beten,
als wäre es für mich auf Erden
die letzte Chance, mit dir zu reden.“2)

Chiara Lubich

1) Matthäus 24,2;
2) Chiara Lubich, Die große Sehnsucht unserer Zeit, Verlag Neue Stadt, 2. Aufl. 2011, S. 40
Erstmals veröffentlicht in: Neue Stadt, November 2001

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, November 2011)
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