23. Dezember 2011

An Karlheinz Böhm, „Menschen für Menschen”

Von nst_xy

BETRIFFT: Wut und Mut

Sehr geehrter Herr Böhm,
vor 30 Jahren haben Sie die Stiftung „Menschen für Menschen” gegründet. Die Verantwortung dafür haben Sie jüngst bei einer Feierstunde zu diesem Jubiläum Ihrer Frau übergeben.
Hinter dieser Nachricht verbirgt sich ein Lebenswerk, Ihr Einsatz zur Überwindung der Armut in Äthiopien! Das verdient Aufmerksamkeit, denn nur zu leicht gewöhnen wir uns an das krasse Missverhältnis zwischen Wohlstand und Elend: Die Bilder der Hungerkatastrophen stumpfen uns ab, wir verhalten uns, als ginge uns die Not anderer nichts an. Sie dagegen haben sich anrühren lassen, als Sie Mitte der 70-er Jahre bei einem Kenia-Aufenthalt hinter die Kulissen eines Luxushotels schauten. Als sie mitbekamen, wie wenig die Menschen zu essen hatten, waren Sie erschüttert, wollten sich nicht mit der Not abfinden.
Wetten, dass nicht „jeder dritte Zuschauer eine Mark, einen Schweizer Franken oder sieben österreichische Schilling für Menschen in der Sahelzone spendet”? Keine bequeme Wohnzimmerwette, sondern eher eine Provokation, die Sie 1981 in einer Fernsehshow angeboten haben. Aber Sie behielten Recht und gewannen die Wette.

Dass dennoch 1,2 Millionen DM zusammenkamen, nahmen Sie als Verpflichtung, das Geld tatsächlich für Notleidende einzusetzen – der Anstoß zur Reise in ein äthiopisches Flüchtlingslager.

Mutig, dass Sie nur wenige Monate danach mit der Äthiopienhilfe begannen, ohne großes kulturelles Vorwissen! Aber Sie nutzten die Chance, die gerade darin liegt: vorurteilsfrei und nicht als Besserwisser aufzutreten, der allen sagt, wo es langgeht. Sie haben Feingefühl und Respekt vor den Menschen mitgebracht, haben um Rat gefragt und zugehört – für viele Äthiopier war es das erste Mal, dass ein Europäer sich für ihre Meinung interessierte. Nicht zuletzt haben Sie auf diese Weise auch eine junge Viehzuchtexpertin kennengelernt, Ihre jetzige Frau.
Mutig auch, dass Sie – zusammen mit Ihrer Frau – heiße Eisen angepackt haben wie die Beschneidung von Mädchen, die Rechte der Frauen und Aids. Wut war die Antriebsfeder ihres Engagements, sagen Sie, Wut über das Elend, über die Ungerechtigkeit zwischen Arm und Reich. Sie haben Ihren Zorn jedoch nicht unkontrolliert ausgelassen, sondern in liebevollen Einsatz für bessere Lebensbedingungen verwandelt, im Wissen, „Wut macht nur Sinn, wenn ihr Taten folgen.”

Sie sind unserer Gesellschaft ein unangenehmer Mahner, wenn Sie anprangern, dass „die Habgier in den Industrienationen immer bizarrere Formen annimmt, während rund eine Milliarde Menschen permanent unterernährt sind.”

Wir wünschen Ihnen die Kraft, weiterhin unbequemer Mahner zu sein; dass Sie Gehör finden und auf Herzen stoßen, die sich davon berühren lassen! Ihrer Frau Almaz wünschen wir viele Unterstützer und offene Türen, um die Lebensbedingungen vieler Äthiopier verbessern zu können!
Als Sie mit Ihrer Stiftung begannen, ahnten Sie nicht, was alles daraus entstehen würde: Millionen von Menschen vor Hungersnot bewahrt, Polikliniken und Krankenhäuser, über 80 Krankenstationen und fast 300 Schulen gebaut zu haben, ist eine stolze Bilanz!
Uns ist klar, dass es zu wenig ist, Ihnen nur zu danken. Dank ist dann sinnvoll, wenn ihm auch Taten folgen.

Mit freundlichen Grüßen,
Clemens Behr
mit der ganzen Redaktion der NEUEN STADT

www.menschenfuermenschen.de

Unser Offener Brief wendet sich an den österreichischen Schauspieler Karlheinz Böhm (83), der nach 30 Jahren die Leitung seines Äthiopien-Hilfswerks „Menschen für Menschen“ in die Hände seiner Frau Almaz (47) gelegt hat.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Dezember 2011)
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