11. Dezember 2014

Wenn der Haussegen schief hängt

Von nst1

Der Friede beginnt im eigenen Haus, sagt Karl Jaspers. Und wenn nicht?

Wie schwierig ist es in der Familie, in Spannungsmomenten den richtigen Ton zu finden oder uns in die anderen einzufühlen! Wieder ein Montagmorgen und jeder hat es eilig. Da fehlt eine Unterschrift, dort kippt die Kakao-Tasse um, die Lieblingshose ist noch in der Wäsche. Was wir täglich im Umgang miteinander üben, funktioniert plötzlich nicht mehr, und wir tappen mitten hinein in ein Missverständnis, eine Kränkung. Ein „Schon wieder!“, „Wer hat denn…?“ genügt und die schöne Erfahrung eines gemeinsamen Wochenendes scheint vergessen.

Pannen passieren, Fehler gehören dazu. Wir unterscheiden uns in der Wahrnehmung; jeder bewertet die Dinge anders. Entscheidend ist, dass wir uns wieder in die Augen schauen, „Sorry“ sagen oder SMSn und uns von den heftigen Zwischenfällen nicht zu sehr verwirren lassen.

Sind diese ernüchternden Momente, in denen wir unsere Schwächen sehen und zugeben, letztlich nicht ein Glück? Sie helfen uns, in unserem Umfeld Frieden zu stiften. Was wir an eigener Haut erlebt haben, können wir auch bei anderen verstehen und ihnen so nahe sein.

Wir erleben immer häufiger, dass Mitschüler unserer Kinder aneinandergeraten und auch deren Eltern. Vor Kurzem hat unser Sohn nach einem Streit von zwei Mitschülern seinem Freund am Telefon ganz ruhig die Sicht der anderen Seite aufgezeigt. Ich war beeindruckt, dass und wie er die Situation klären wollte. Sicher können Kinder an der Schule soziale Kompetenz erwerben, aber das gelingt nicht automatisch. Wenn es den Kindern passiert, dass sie selbst  gekränkt werden, nicht mitspielen dürfen, jemand sie nicht so toll findet, kann ihnen der Umgang mit Konflikten in der Familie helfen, nicht dabei stehen zu bleiben, sondern daran zu wachsen und den anderen eine neue Chance zu geben.
Veronika Dörrer

 

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Dezember 2014)
Ihre Meinung ist uns wichtig, schreiben Sie uns! Anschrift und E-Mail finden Sie unter Kontakt.
(c) Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München