10. Juni 2009

Zuerst wollte ich ausweichen.

Von nst_xy

Erfahrungsberichte

Nach  dem  Mittagessen treffen wir uns in unserem Internat oft noch mit anderen im Gemeinschaftsraum.
Eines Tages war ich dort mit ei­nigen meiner besten Freunde zu­sammen. Nach einer Weile drehte sich das Gespräch nur noch um einen Studenten aus unserem Kurs, der gerade nicht anwesend war. Mir fiel sofort auf, dass das nicht mit meinem Wunsch zusammenpasste, die Liebe des Evangeliums allen gegenüber zu leben. Das schloss schließlich auch diejenigen mit ein, die nicht anwesend waren. Deshalb versuchte ich, das Thema zu wechseln, was aber trotz mehrerer Ver­suche nicht gelang. So entschied ich mich, in mein Zimmer zu gehen.
Nach ein paar Minuten kam einer meiner Freunde und fragte mich nach dem Grund meines „Rück­zugs”. Zuerst wollte ich ausweichen, aber dann erklärte ich ihm meine Haltung offen. Er schien überrascht und verließ mein Zimmer.
Im Lauf der Zeit bemerkte ich dann, dass er mir seit diesem Tag hilft, das Gesprächsthema zu wechseln, wenn wir in unserer Gruppe anfangen, schlecht über jemanden zu reden. c.i.

Wir waren im Kreis gegangen.
Nach einem langen Tag war ich abends in der U-Bahn auf dem Heimweg. Da stieg ein älteres Paar ein, das mir sofort auffiel. Sie unter­hielten sich laut und schienen etwas orientierungslos. Ihrem Gespräch entnahm ich, dass sie genau ans an­dere Ende von Wien mussten. Ich fragte nach, und sie bestätigten mei­ne Vermutung.
Gemeinsam stiegen wir an der Endstation aus, und nach einem erfolglosen Versuch, ihnen den Weg zu erklären, beschloss ich, sie zu begleiten. Weil wir so laut spra­chen, standen wir schnell im Mit­telpunkt des U-Bahn-Geschehens – mit unterschiedlichen Reakti­onen der anderen Fahrgäste: Ei­nige schmunzelten, andere boten ihre Plätze an, und es ergaben sich Gespräche.
Als wir umstiegen, kam eine Frau auf mich zu. Während ich noch damit beschäftigt war, her­auszufinden, wo genau die Woh­nung der beiden sei, drückte sie mir 20 Euro in die Hand – „fürs Taxi”. Bei der Station „Schön­brunn” behauptete der ältere Herr nach wie vor, er wohne direkt beim Schloss. Als er dann hinzufügte, er sei Gärtner gewesen und habe eine Dienstwohnung, schien das sogar einigermaßen glaubwürdig, und wir machten uns langsamen Schrittes auf den Weg. Da die Dame nur ein Kleid und Sandalen anhatte, gab ich ihr meine Jacke. Nach einiger Zeit bemerkte ich, dass wir im Kreis gegangen waren. Als damit klar wurde, dass der ältere Herr nicht wusste, wo er war, verlor ich die Geduld. Aber dann riss ich mich zusammen: Warum war ich in dieser Situation? Weil ich einfach eine „gute Tat” tun und danach stolz auf mich sein wollte? Oder tat ich das, weil ich Jesus in den beiden lieben wollte: „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan?”
Ich sammelte mich und ermu­tigte die beiden, weiterzugehen. Eine Anwohnerin gesellte sich zu uns, und gemeinsam riefen wir die Polizei. Als die kurz darauf kam, sah die Beamtin sofort am Arm­band des Herren seinen Namen und die Adresse des Altenheims, in dem die beiden wohl schon längst erwartet wurden. Wie hatte ich das übersehen können? Kurz darauf konnte ich mich wieder auf den Heimweg machen – zwei Stunden waren inzwischen vergangen. Trotz allem freute ich mich; es war mir gelungen, Jesus in den beiden zu begegnen und meine Reaktion hatte Kreise ge­zogen – auch in der sonst so anonymen Umgebung der öffentlichen Verkehrsmittel. l.h.

Man braucht eine richtige Nummer.
Mit den Autos unserer Firma tanke ich häufig bei einer bestimmten Tankstelle. Dort werde ich jedes Mal beim Zahlen gefragt, ob ich Mitglied beim Automobil­club sei, da es den Sprit dann um einen Cent billiger gäbe. Obwohl ich nicht Mitglied bin, fragte ich bei einem der letzten Male die Kassiererin, was denn wäre, wenn ich einfach „ja” sagen würde. Dann würde sie mich nach der Mitgliedsnummer fragen, antwortete sie. „Wie wäre es mit 123 456 789?”, schlug ich vor. „Das haben wir schon probiert”, lautete ihre Antwort. „Es funkti­oniert nicht, man braucht schon eine richtige Nummer.” Und sie fuhr fort: „Allerdings genügt die Nennung der Mitgliedsnummer; einen Mitgliedsausweis verlangen wir nicht!”
Sofort fielen mir ein paar Leute ein, die ich nach ihrer Mit­gliedsnummer fragen könnte. Doch dann kam mir das aktuelle Lebenswort in den Sinn: „Seid also wachsam!” Sofort war mir klar, dass so eine Schummelei nicht in Frage kam. Beim nächsten Tanken konnte ich die Frage der Kassiererin mit einem deutlichen „Nein” und einem inneren Lächeln beant­worten. T.H.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Juni 2009)
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