8. November 2009

Kunstvoll geerdet

Von nst_xy

Nur mit der Bereitschaft, Altes zu verlieren, lässt sich Neues entwickeln. Dieses Grundprinzip hat Christa Janßen von der Natur gelernt. Es gilt nicht nur für ihren Beruf als Gartengestalterin.

Christa Janßens Garten in Pulheim bei Köln steckt voller Kunstwerke. Eines davon, eine Drahtplastik, trägt den im Kölschen Dialekt formulierten Titel: „Et es doch minge Jahde“ – „Es ist doch mein Garten“. Es handelt sich um das Motto, das die 69-jährige Gartengestalterin über ihre Arbeit gestellt hat. Und dieses Motto gilt in zwei Richtungen: Christa Janßen will jeden Garten mit der Sorgfalt gestalten, als wäre es ihr eigener, aber auch so, dass die Kunden am Ende sagen können: „Das ist voll und ganz mein Garten.“
Manchmal ist es gar nicht so leicht, den Kunden ihre Erwartungen an die Gartengestaltung zu entlocken, vor allem wenn die am liebsten ein fertiges Konzept vorgesetzt bekämen. „Dazu muss ich selber ganz leer sein“, sagt Christa Janßen und will damit ausdrücken, dass sie sich ganz von ihren eigenen Vorstellungen frei machen muss. Das muss nicht unbedingt bedeuten, dass sie nur zuhört. Wenn die Kunden ihre eigenen Ideen noch nicht klar haben, beginnt Christa Janßen ein Planungsgespräch mitunter schon einmal mit einer Provokation, um ihr Gegenüber aus der Reserve zu locken.

„Aber dabei muss rüberkommen, dass es mit Liebe gemeint ist“, sagt sie, also immer ganz im Sinne der Kunden.

Ihre ersten Überlegungen fragen immer nach dem Menschen, der hier lebt und den Garten pflegt. Schließlich will die Gartenplanerin nicht sich selbst ein Denkmal setzen. Mit einem Ehepaar ist sie allein für die Vorplanung dreimal in die Eifel gefahren, um den künftigen Garten zu begutachten. Beim ersten Besuch führte die Tour zunächst um den Ort herum. Christa Janßen wollte den künftigen Gartenbesitzern ihren Fleck Erde im Gesamtzusammenhang und aus einer anderen Perspektive zeigen. Oft geht es aber gar nicht um eine völlige Neuanlage, sondern nur darum, einen vorhandenen Garten umzugestalten. Frau Janßens Anspruch ist es dann, wieder ein Gleichgewicht herzustellen. Manchmal wollen Kunden in ihrem Garten „alles“, aber dabei ginge die Harmonie verloren. Christa Janßen plädiert dann für weniger, und das ist dann meistens mehr.
Viele ihrer Gestaltungsprinzipien hat Christa Janßen direkt von der Natur abgeschaut: „Nur mit der Bereitschaft, Altes zu verlieren, lässt sich Neues entwickeln.“ – „Zwei Bäume, die zu dicht beieinander stehen, reiben sich im Sturm und machen sich gegenseitig kaputt.“ Die Gestalterin weiß, dass alles in der Natur beachtet werden will. Und wenn jemand von ihr verlangt, sich über solche Gesetzmäßigkeiten hinwegzusetzen, wird sie sehr zurückhaltend …
„Ich gehe nie zu einem potenziellen Kunden, nur um einen Auftrag zu bekommen“, unterstreicht Christa Janßen, aber wohl gerade deshalb bekommt sie ihn dann meistens. „Je offener du bist, desto besser kannst du planen und desto schöner wird der Garten“, ist ihre Erfahrung. Das Ergebnis muss echt sein und optimal – für die Kunden und für sie selbst. Dann darf die Arbeit auch etwas kosten, auch wenn Christa Janßens Honorare vergleichsweise moderat sind.
Als Christa Janßen mit ihrem Beruf anfing, musste sie sich in einer Männerdomäne behaupten. In einem Nachbardorf von Pulheim vor den Toren von Köln war sie in einer Bauernfamilie mit neun Geschwistern aufgewachsen. Beide Eltern pflegten ein ausgesprochen religiöses Leben und waren sehr karitativ eingestellt.

Der Vater starb schon im Alter von 53 Jahren, und Christas Mutter musste die Kinderschar durchbringen.

So hat Christa Janßen Werte wie Sparsamkeit oder Vermeidung jeder Art von Vergeudung verinnerlicht, ebenso die Bodenständigkeit durch das Leben in und mit der Natur, – das immer auch Kampf mit der Natur bedeutet.
Ihren Mann Gerd lernte Christa auf der Berufsschule kennen, wo sie damals eine landwirtschaftliche Ausbildung in Hauswirtschaft machte. Dass Gerds Vater eher ein Künstlertyp war, und alle in der Familie eine musikalische Ader hatten, empfand sie immer als kostbar. Im Februar 1961 heirateten die beiden. Gerd hatte das alte Gehöft geerbt, und in den Gärtnerei- und Baumschulenbetrieb wuchs die junge Frau hinein. Für die Zulassung zur Baumschulenausbildung brauchte sie als Frau noch eine Genehmigung. 14 bis 16 Arbeitsstunden waren normal. Zwischen 1962 und 1970 stellten sich ihre drei Kinder ein.
Bei einer Japanerin lernte sie Steinsetzung und Ikenobo, die älteste der vielen japanischen Ikebana-Schulen1), und schloss mit Diplom ab. Noch heute empfindet sie diese Ausbildung und die dabei investierte Kraft als nachhaltigen Wert. Genauso dankbar ist sie für die Bekanntschaften mit den Künstlern, die ins Haus kamen, ihre Musik und Malerei, Skulpturen und vor allem Feingefühl und Freundschaft mitbrachten und in Haus und Garten ihre Werke hinterließen.
Garten und Kunst gehören für Christa Janßen ohnehin eng zusammen. Fernöstliches wie Provokativ-Modernes bilden mit Bäumen, Sträuchern und Pflanzen, Wasser, Spiegel und Klangelementen ein Ensemble, das wohl tut. Ihr „Dömchen“, ein Stück Maßwerk2) aus dem Kölner Dom, ist von einer rostigen Säule unterfangen: „Das Alte muss wieder rauskommen“, sagt sie dazu. Nichts ist Zufall und macht doch nicht den Eindruck des Durchgestylten.
Als Ende der sechziger Jahre Gerds Bruder den beiden Karten für ein Konzert der ersten Deutschlandtournee der internationalen Band Gen Rosso schenkte, war Christa hellauf begeistert, nicht nur von der Musik, sondern vor allem von deren Botschaft der konkreten, handfesten Liebe. Im Bibelkreis hatte sie schon lange mitgemacht, aber nach einem ganzen Tag Schwerarbeit fielen ihr leicht die Augen zu.
Christa Janßens Sache ist es dagegen, handfest zu lieben oder – wie sie es auf gut kölsch formuliert – „zupacken ohne viel Jedöns“. Die Frauengruppe der Fokolar-Bewegung, der sie sich angeschlossen hat, ist ihr dabei eine große Hilfe, weil sie sich gegenseitig in dem Bemühen unterstützen, nach der sogenannten „Goldenen Regel“ zu leben: „Was ihr von andern erwartet, das tut auch für sie“.
Durch diese Lebenseinstellung wuchs ihr im Rahmen ihrer Caritastätigkeit mit Kindern nachts auf der Straße auch noch ein Pflegekind zu, das inzwischen selbst Familie und eigene Kinder hat. Und für ganz verschiedene Leute ist Christa Anlaufstelle in vielen Fragen: ganz alltäglichen aber auch solchen mit Tiefgang.
Kürzlich schloss sich einer der vielen Lebenskreise von Christa Janßen. Im Rahmen eines Auftritts waren die 27 Künstler der internationalen Band Gen Rosso bei Janßens zu Gast – in Haus und Garten. „Und die haben sich bei uns alle wohl gefühlt.“
Dietlinde Assmus

1) Ikebana: Japanische Blumenkunst
2) Maßwerk ist eine filigrane Steinmetzarbeit zur Dekoration von Fenstern, Balustraden und geöffneten Wänden, die in der Gotik ihre architektonische Blüte erfuhr.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, November 2009)
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