11. Mai 2010

Wort des Lebens – Mai 2010

Von nst_xy

„Wer mich liebt, wird von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.“ (Johannes 14,21)

In Jesu letzter Rede an die Jünger steht die Liebe im Mittelpunkt: die Liebe des Vaters zum Sohn, und die Liebe, die darin besteht, seine Gebote zu beachten.
Seine Zuhörerinnen und Zuhörer erinnerten diese Worte an Aussagen aus den Weisheitsschriften des Alten Testamentes1). Insbesondere an jene Stelle, wo es heißt, dass der Herr sich von denen finden lässt, die ihm trauen.2)
Das „Wort des Lebens“ von diesem Monat sagt nun: Wer den Sohn liebt, wird vom Vater geliebt werden; auch der Sohn wird die Liebe erwidern und sich ihm offenbaren:

„Wer mich liebt, wird von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.“

Voraussetzung für eine solche Offenbarung Jesu aber ist die Liebe zu ihm. Die Dynamik und die Kraft dieser Liebe kennzeichnen die Christen. Ihnen fehlt ihr wesentliches Kennzeichen, wenn in ihnen der Wunsch zu lieben nicht lebendig ist. Denn alle Gebote Jesu lassen sich im Gebot der Liebe zusammenfassen: in der Liebe zu Gott und zum Nächsten, denn auch in diesem lässt sich Jesus erkennen und lieben.
Die Liebe drückt sich nicht nur in Gefühlen aus, sondern vor allem im Tun, im Dienst an den Menschen in unserer Umgebung, angefangen bei den kleinen, alltäglichen Hilfeleistungen.
Eine der großen geistlichen Gestalten des 20. Jahrhunderts, Charles de Fou-cauld, schrieb einmal: „Wenn man jemanden liebt, ist man tatsächlich in ihm. Man ist in ihm und lebt in ihm durch die Liebe. Man lebt nicht mehr in sich selbst, man ist ‚losgelöst’ von sich, ‚außerhalb’ von sich selbst.“
Durch diese Liebe bahnt sich Jesus einen Weg zu uns, gemäß seiner Zusage: „Wer mich liebt, … dem werde ich mich offenbaren.“ Die Liebe ist Quelle des Lichts. Wenn wir lieben, verstehen wir mehr von Gott, der ja die Liebe ist. Dies wiederum lässt unsere Liebe weiter wachsen und die Beziehung zu unseren Nächsten tiefer werden.
Das Licht, also das liebevolle Erkennen Gottes, ist das Echtheitssiegel für diese Liebe. Man erfährt das Licht auf vielfältige Weise, denn in jedem von uns nimmt es einen anderen Farbton an. Einige seiner Eigenschaften zeigen sich jedoch bei allen Menschen: Es lässt uns Gottes Willen deutlicher erkennen. Es schenkt uns Frieden, Gelassenheit und ein immer neues Verständnis der Worte Gottes. Es ist ein warmes Licht, das uns ermutigt, immer sicherer und zielstrebiger den Weg unseres Lebens zu gehen.
Auch wenn Schatten unseren Weg unsicher machen, oder sogar Dunkelheit uns gefangen hält, erinnert uns dieses Wort des Evangeliums daran, dass die Liebe das Licht wieder entzündet. Selbst eine kleine Geste, ein Gebet, ein Lächeln oder ein gutes Wort kann uns Licht geben für den nächsten Schritt.
Wer nachts mit dem Fahrrad unterwegs ist und stehen bleibt, befindet sich im Dunkeln. Sobald er jedoch wieder in die Pedale tritt, erzeugt der Dynamo genügend Strom, um den Weg vor ihm zu beleuchten.
Das gilt auch für das Leben: Es genügt, die echte Liebe in uns in Bewegung zu setzen, die Liebe, die ohne Erwartung gibt. So werden Glaube und Hoffnung in uns wieder aufleuchten.
Chiara Lubich

Erstmals veröffentlicht in: NEUE STADT, Mai 1999

1) Das Buch der Weisheit gehört zu den Spätschriften des Alten Testaments und findet sich in den evangelischen Bibeln – wenn überhaupt – als Anhang zum Alten Testament.
2) vgl. Buch der Weisheit 1,2.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Mai 2010)
Ihre Meinung ist uns wichtig, schreiben Sie uns! Anschrift und Email finden Sie unter Kontakt.
© Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München