10. Oktober 2010

Wein und die Freude am Gespräch

Von nst_xy

Man kann sich ganz allein vor eine Flasche Wein setzen. Schöner aber ist es, einen charaktervollen, lebendigen Tropfen in Gesellschaft zu genießen. Mit dem Glauben ist es ähnlich: Man sollte ihn nicht für sich allein behalten, sondern sich darüber austauschen und anderen etwas davon abgeben. Das jedenfalls meint Sonja Janß, katholische Gemeindereferentin und Winzerin aus Guntersblum.

Der Weinort Guntersblum liegt auf der linken Rheinseite zwischen Mainz und Worms in Rheinhessen. Vor dem Gut Eckel- mann-Janß steht ein Reisebus. Der Seniorenkreis der katholischen Pfarrgemeinde Heilig Kreuz aus dem hessischen Neu-Isenburg ist in Guntersblum zu Gast und macht eine Weinprobe. Sonja Janß, die zusammen mit ihrem Mann Roland das Weingut betreibt, führt die Gäste in die Welt des edlen Rebensaftes ein. Im Hauptberuf ist Sonja Janß allerdings katholische Gemeinde- referentin – und damit Fachfrau für Wein und Glaubensfragen in einer Person.

Da der Wein ein besonderes Getränk ist, das im Guten wie im Schlechten das Leben der Menschen beeinflussen kann und ein starkes Symbol für das Leben ist, hat das Getränk in der christlichen Religion einen besonderen Stellenwert.

Erwähnung findet der Wein vom ersten Buch der Bibel, der Genesis, bis zum letzten, in der Offenbarung des Johannes. Rund 500 Bibelstellen beschäftigen sich mit der Welt der Winzer und des Weins.

Das Jahr der Bibel im Jahr 2003 hatte Sonja Janß bewogen, eigene erste Erfahrungen mit thematischen Weinproben fortzuführen und Angebote zu machen, die besonders Pfarrgemeinden ansprechen.

„Ein Erlebnistag im Weinberg” wird in Guntersblum ebenso angeboten wie Weinproben zu den Themen „Bibel und Wein”, „Frauen und Wein” und neuerdings „Brot und Wein”.

Die Gruppe aus NeuIsenburg hat sich für „Wein in der Bibel” entschieden. Mit den ersten Rotweinen im Probierglas hören sie, dass im Alten Testament davon die Rede ist, dass seit den Anfängen in der Geschichte der Menschheit Reben gepflanzt und ihre Früchte verwertet wurden: „Noah aber, der Ackermann, pflanzte als Erster einen Weinberg” (Genesis 9,20), als er mit seiner Familie nach der Sintflut wieder Fuß fasste. Weinberg und Rebstock sind darüber hinaus Bilder für Gottes auserwähltes Volk: „Der Weinberg des Herrn der Heerscharen ist das Haus Israel, und die Leute von Juda sind seine liebliche Pflanzung.” (Jesaja 5,7) Im Buch Hosea wechselt das Bild vom Weinberg in das des Weinstocks über: „Israel war ein üppiger Weinstock, ließ zahlreiche Früchte reifen.” (Hosea 10,1).

Sonja Janß deutet die Bibelstellen für das Alltagsleben ein wenig aus und streut kleine Anekdoten zum Rebensaft mit ein. Nachdem die Gäste den Rosé im Glas haben, ist die Stimmung merklich gelöster. Wein schafft Gemeinschaft. Beim Wechsel zum Weißwein kommt das Neue Testament in den Blick: In den Evangelien vergleicht Jesus das Kommen des Gottesreiches mit der Arbeit im Weinberg (Matthäus 20,116). Weinstock und Rebe werden an anderer Stelle zum Sinnbild Christi und seiner Gemeinde: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun” (Johannes 15,5).

Während die Winzerin dann ihren Gästen die wertvolle Auslese kredenzt, kommt sie auf die tiefe Bedeutung des Weines zu sprechen, die durch das letzte Abendmahl deutlich wird. Wichtige Elemente des jüdischen Pessachfestes sind ungesäuertes Brot und Wein. Diese Elemente wandelt Jesu in eine neue Bedeutung hinein: Weintraube und Ähre symbolisieren von nun an das Blut und den Leib Christi.

Die Gäste aus Neu-Isenburg, die in einem umgebauten Kelterhaus sitzen, zeigen sich beeindruckt von der vielfältigen Deutungsmöglichkeit des Weinbergs und der Reben. Wie schwer mitunter das Leben und die Arbeit eines Winzers ist, erfahren sie durch den geschilderten Jahreszyklus im Weinberg: Die eigentliche Arbeit im Weinberg leistet die Natur. Aber ohne tatkräftige Mithilfe der Winzer und ihrer Helfer würden sie wohl kaum den Rebensaft genießen können. Davon ist auch in der Bibel zu lesen. Sonja Janß erzählt das Gleichnis von den Tagelöhnern im Weinberg. Viele ihrer Gäste wissen nicht, dass das Weinjahr schon im Januar und Februar beginnt. Vor dem Austrieb im Frühjahr steht der Rebschnitt auf dem Arbeitsprogramm. Altes Holz wird entfernt und die Zahl der Fruchtruten wird bestimmt. Sonja Janß berichtet, dass der Rebschnitt in Guntersblum nach wie vor noch echte Handarbeit ist, für die die Winzer oft viele Wochen benötigen.

Ende April / Anfang Mai kommt es zum Austrieb. Nun beginnt die Phase des Pflanzenschutzes gegen Pilzkrankheiten, wie den echten und falschen Mehltau.

Die Winzerin macht deutlich, dass sich hier ihr Weingut für eine umweltverträgliche Vorgehensweise entschieden hat.

Im Mai und Juni werden die Reben „geheftet”, das heißt mit Drähten verbunden. Das Weingut besitzt 9 Hektar Rebfläche mit 35 000 bis 40 000 Reben. Das bedeutet viel, viel Arbeit. Im Anschluss muss der Boden bearbeitet werden, um das natürliche Leben im Löss anzuregen.

Während der ganzen Wachstumsperiode zwischen Juni und August ist die Familie Janß mit Laubarbeiten beschäftigt. Es werden Blätter entfernt, um die Durchlüftung der Rebanlage zu fördern. Neben der Gemeindereferentin und ihrem Mann, dem Winzer, helfen auch die beiden Töchter des Hauses mit.

Im September ist es dann endlich soweit: Die Früchte der Arbeit können geerntet – besser: gelesen – werden. Die Lese kann sich bis zu vier Wochen hinziehen. Vor allem, wenn sie von Hand erfolgt. Maschinen können nur bedingt eingesetzt werden.

Während des ganzen Jahres laufen aber die Arbeiten im Weinkeller mit. Der gegorene Rebsaft muss geklärt und gepflegt werden. Dann wird der Wein auf die Flasche gezogen, etikettiert und ausgeliefert. Sonja Janß verschweigt ihren Gästen nicht, dass die Bürokratie den Betrieben zunehmend das Leben schwer macht. Ein Tag in der Woche ist allein für die Buchhaltung des Familienbetriebs notwendig.

Kaum ein Winzer lebt heute allein vom Wein. Viele haben sich für eine angeschlossene Gastronomie entschieden oder organisieren Feste und Veranstaltungen, um Geld in die Betriebskasse zu bekommen.

Auch thematische Weinproben sind keine Seltenheit mehr. Das besondere an dem Weingut Eckelmann- Janß ist es aber, dass die Rolle der Gemeindereferentin mit der der Winzerin eine sympathische Symbiose eingegangen ist.

„Alles, was von Gott geschaffen ist, ist gut!” Mit dieser alten Weisheit verabschiedet Sonja Janß ihre Gäste, die sich an das maßvolle Genießen des Weines gehalten haben. Zehn verschiedene Weine haben sie gekostet und sich jeweils auf eine kleine Menge im Glas beschieden. Dazu passt eine Bibelstelle aus dem Buch Jesus Sirach:

„Auch beim Wein spiele nicht den starken Mann. Schon viele hat der Rebensaft zu Fall gebracht. Wie der Ofen das Werkzeug des Schmiedes ist, so ist der Wein eine Probe für die Spötter. Wie Lebenswasser ist der Wein für den Menschen, wenn er ihn mäßig trinkt”. (vgl. Jesus Sirach 31,25ff).

Wein in Maßen als Lebenselixier? Das steht nicht nur in der Bibel, sondern ist heute Gut der Allgemeinbildung. Mit einem bekannten Zitat des Kirchenvaters Augustinus machen sich die Senioren auf den Heimweg: „(Der Wein) stärkt den schwachen Magen, erfrischt die ermatteten Kräfte, heilt die Wunden an Leib und Seele, verscheucht Trübsal und Traurigkeit, verjagt die Müdigkeit der Seele, bringt Freude und entfacht unter Freunden die Lust am Gespräch.”

Die Fahrt nach Guntersblum hat sich gelohnt. Mit vielen biblischen Einblicken, nach guten Gesprächen und mit ein paar Flaschen im Kofferraum fährt der Seniorenkreis wieder aus dem Weindorf ab.
Bernd Klotz

Infos: Weingut Eckelmann-Janß, Kellerweg 56, 67583 Guntersblum, Tel/Fax 06249/7200, sonja.janss@kath-dekanat-mainz-sued.de

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Oktober 2010)
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