13. Januar 2011

Hatte ich wirklich keine Zeit?

Von nst_xy

Erfahrungsberichte

Seit einigen Jahren trete ich in unserem Chor als Nikolaus – „Samichlaus” – auf. Ab etwa Mitte November beschäftige ich mich mit dem Dichten der Verse. Das ist für mich eine sehr arbeitsintensive Zeit.

Nun erreichte mich Ende November eine Anfrage von einem Freund aus Zürich, ob ich nicht auch bei einer kleineren Gruppe aus seinem Freundeskreis auftreten würde. Er wollte mir selbstverständlich das entsprechende „Gute-Taten- und Sündenregister” liefern. Blitzartig durchzuckte es mich. Ich fühlte mich buchstäblich vor einem riesigen Arbeitsberg: Mit den Versen für den Chlausabend kam ich überhaupt nicht voran und mit jedem Tag wurde ich nervöser. Es warteten auch noch die Weihnachtskarten, und, und, und. Ich fragte meine Frau um Rat. Doch allein schon mein Gesichtsausdruck musste ihr die von mir gewünschte Antwort suggeriert haben: „Wenn du keine Zeit hast, dann musst du eben absagen.”

Das schien logisch. Dennoch war ich unruhig. Hatte ich wirklich keine Zeit, um einem Freund einen Gefallen zu tun und anderen damit eine Freude zu bereiten? Gleichzeitig fielen mir dauernd Gegenargumente ein: die Autofahrt am Abend, die unsicheren Straßenverhältnisse, die fehlende Zeit. Ich wusste wirklich nicht, wie ich entscheiden sollte! Doch dann kam mir plötzlich eine Idee: Ich mache einen Deal mit dem Heiligen Geist; er sollte mir bei meinen Versen beistehen, und ich würde dafür am 7. Dezember als Samichlaus auftreten. Natürlich ging ich ein Risiko ein. Denn ich musste meinem Freund zusagen, ohne dass meine Verse schon fertig waren.

Das erste Zeichen von meinem Bittadressaten traf sofort ein: Es fiel mir nämlich ein, dass ich in Zürich noch eine andere Familie überraschen könnte. Und in den nächsten Tagen flossen meine Verse wie der junge Wein aus der Presse. Ich wurde wieder ruhig und hatte nun sogar Zeit, mich mit meiner Frau gut auf den Einsatz vorzubereiten. Der Ausflug wurde dann für uns zu einem eindrücklichen Erlebnis, und auch der Auftritt beim Chor löste viel Freude und Applaus aus. F.W.

Was sind schon neun Löffel?
Geben Sie Ihre Löffel ab! So war ein Aufruf in einem Infoblatt der Caritas überschrieben. Weiter hieß es dort, dass die Caritas seit mehr als 25 Jahren in einem Tageszentrum obdachlosen und verarmten Menschen konkrete Hilfe anbot. Bis zu 100 Menschen kamen Tag für Tag, um ein warmes Mittagessen oder neue Kleidung zu erhalten, andere nutzten wohl gerne die Möglichkeit zu duschen. Wir benötigen dringend Löffel, las ich weiter, denn mit der Zeit waren die vorhandenen weniger geworden. Zur Überbrückung hatten die Mitarbeiter günstige Plastiklöffel besorgt, deren Haltbarkeit jedoch deutlich begrenzt war. Deshalb baten sie nun also in dem Aufruf darum, ungenutzte oder überzählige Löffel vorbeizubringen.

Ich fühlte mich sofort angesprochen und dachte an meine überflüssigen Löffel. Aber, so meldete sich auch sofort der Zweifel, was sind schon neun Löffel? Außerdem war das Caritas-Haus nicht gerade um die Ecke meiner Wohnung. Es kostete also auch Zeit und Mühe, die Löffel dort vorbeizubringen! Doch dann fiel mir die Stelle aus dem Evangelium ein, wo es heißt: „Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, der wird nicht um seinen Lohn kommen.” So packte ich also meine Löffel ein und machte mich auf den Weg zu der Caritas-Stelle, um sie abzugeben.

Die Freude, die ich dabei empfand, überraschte mich – und sie hält noch immer an, wenn ich daran denke, dass nun neun Menschen ihre Suppe mit einem „würdevolleren” Löffel essen können. A.L.

Sie ziehen ihn immer auf!
Für einige Siebtklässler gebe ich in der Schule freiwillig Englischnachhilfe. Dafür bekomme ich kein Geld, und oft ist das echt anstrengend. Die Kinder haben leider meistens überhaupt keine Lust, etwas zu lernen, da es ja um eines ihrer schwächeren Fächer geht.

Bei den Schülern ist auch ein Junge, der von den anderen ziemlich gemobbt wird. Immer wenn wir uns begegnen, erzählt er mir ungefähr sein halbes Leben. Mich stört das nicht, aber die anderen ziehen ihn damit auf. Er tut mir leid, und ich habe oft das Gefühl, dass er unglücklich ist. So versuche ich dann immer, ihm noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Am Ende des Halbjahres ging es darum, wer nach den Zeugnissen weiterhin zur Nachhilfe kommen will. Die meisten sagten, dass sie keine Lust mehr hätten, und wenn es nicht unbedingt sein müsste, wollten sie nicht mehr kommen. Nur dieser eine Junge sagte sofort: „Ich komme auf jeden Fall wieder!” Das hat mich echt berührt. Denn obwohl er sich in letzter Zeit nicht unbedingt in Englisch verbessert hat, hatte er anscheinend doch wenigstens eine gute Zeit während der Nachhilfestunden. Er hat richtig gestrahlt! C.B.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Januar/Februar 2011)
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