15. April 2011

Wort des Lebens – April 2011

Von nst_xy

„Nicht, was ich will, sondern was du willst (soll geschehen).“1) (Markus 14,36)

Jesus befindet sich im Ölgarten, in einem Anwesen namens Getsemani. Die lang erwartete Stunde ist gekommen, der entscheidende Augenblick seiner Existenz. Er wirft sich auf die Erde nieder und fleht Gott an, den er vertrauensvoll „Vater“ nennt, ihm „den Kelch“ des Leidens und Todes zu ersparen. Er bittet ihn, dass diese Stunde an ihm vorübergehe. Dann jedoch überlässt er sich voll und ganz seinem Willen.

„Nicht, was ich will, sondern was du willst (soll geschehen).“

Jesus weiß, dass seine Passion keine von Menschen herbeigeführte oder zufällige Entscheidung ist, sondern ein Plan Gottes. Er wird zwar von Menschen angeklagt und abgelehnt, der „Kelch“ jedoch kommt aus Gottes Händen.
Jesus lehrt uns, dass der Vater auch für jeden von uns einen Plan der Liebe hat und jeden Menschen auf ganz persönliche Weise liebt. Indem wir an diese Liebe glauben und auf sie antworten, werden wir sehen, dass alles zum Guten gereicht. Für Jesus geschieht nichts zufällig, auch nicht sein Leiden und Tod.
Und er ist auferstanden. Wir feiern gerade in diesem Monat das Fest der Auferstehung.
Das Beispiel Jesu, der aufersteht, soll Licht in unserem Leben sein. Wir können an allem, was auch kommen mag, was auch geschieht und uns umgibt – selbst an dem, was uns leiden lässt – , Gottes Willen ablesen. Und er liebt uns. So wird alles im Leben sinnvoll und von großem Nutzen für uns. Auch das, was uns unverständlich und absurd erscheint; auch das, was uns in Todesangst stürzt, wie es Jesus ergangen ist. Es genügt, zusammen mit ihm im totalen Vertrauen in die Liebe des Vaters zu sagen:

„Nicht, was ich will, sondern was du willst (soll geschehen).“

Dass wir leben und Grund haben, ihm für alles Schöne freudig zu danken, das ist Gottes Absicht; und nicht, dass wir seinen Willen nur ergeben hinnehmen.
Der Wille Gottes ist seine Stimme, die zu uns spricht und uns einlädt. Es ist die Art und Weise, mit der Gott uns seine Liebe zeigt, um uns sein Leben in Fülle zu schenken.
Denken wir an die Sonne! Ihre Strahlen sind vergleichbar mit dem göttlichen Willen für jede und jeden von uns: Jeder geht auf einem Strahl, der verschieden ist vom Strahl neben ihm, doch immer ein Strahl derselben Sonne. Alle erfüllen wir also den Willen eines einzigen, den Willen Gottes, und doch sieht er für jeden anders aus. Je näher die Strahlen der Sonne kommen, desto näher kommen sie einander. Je mehr wir uns Gott nähern, indem wir immer besser den göttlichen Willen erfüllen, umso näher kommen wir auch einander, bis wir alle eins sein werden.
Wenn wir so leben, kann sich alles ändern. Anstatt nur zu denen zu gehen und nur die zu lieben, bei denen es uns leicht fällt, können wir auf all jene zugehen, die uns der Wille Gottes auf den Weg stellt. Anstatt nur das zu bevorzugen, was uns leicht fällt, können wir bevorzugen, was wir als Wille Gottes erkennen. Auf den göttlichen Willen ausgerichtet zu sein („was du willst“), hat die Freiheit von den Dingen und von uns selbst zur Folge („nicht, was ich will“). Wenn man Gott allein sucht, kommt die Loslösung automatisch. Die Freude wird groß sein. Es genügt, sich ganz auf das Jetzt einzulassen und nur in diesem Augenblick Gottes Willen zu tun.

„Nicht, was ich will, sondern was du willst (soll geschehen).“

Der vergangene Augenblick ist nicht mehr da, der künftige noch nicht in unserer Hand. Ein Zugreisender geht auch nicht im Zug auf und ab, um ans Ziel zu gelangen, sondern bleibt an seinem Platz sitzen. So sollen auch wir in der Gegenwart bleiben. Der Zug der Zeit fährt von selbst weiter. Gott können wir nur in der Gegenwart lieben, indem wir unser persönliches Ja sagen – ein kräftiges, uneingeschränktes, aktives Ja zu seinem Willen.
Legen wir unsere Liebe in das Lächeln, das wir schenken; in die Arbeit, der wir nachgehen; in das Autofahren; in die Mahlzeit, die wir zubereiten; in die Veranstaltung, die wir organisieren; in die Begegnung mit einem Leidenden.
Nicht einmal Prüfungen und Schmerzen brauchen uns Angst zu machen, wenn wir mit Jesu Hilfe den Willen Gottes darin erkennen, seine Liebe zu jedem persönlich.
Wir können so beten: „Herr, gib, dass ich nichts fürchte; denn in allem, was geschehen wird, zeigt sich dein Wille. Herr, gib, dass ich nichts wünsche als deinen Willen, der allein wünschenswert ist. Worauf kommt es im Leben an? Auf deinen Willen! Mach, dass ich vor nichts erschrecke, dass mich nichts zur Überheblichkeit verleitet, sondern dass ich in allem deinen Willen erkenne.“
Chiara Lubich

Erstmals veröffentlicht in: NEUE STADT, April 2003

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1) Der Text in Klammern ist eine erklärende Ergänzung der Einheitsübersetzung.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, April 2011)
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