12. Mai 2011

Fokolar-Bewegung – Christen verschiedener Kirchen

Von nst_xy

Schmerz und Reichtum

Zur Fokolar-Bewegung gehören Christen verschiedener Kirchen. Ein Novum in der Christenheit, das weder menschliche noch kirchenrechtliche Maßstäbe bisher ganz erfassen können. Im Gespräch mit Präsidentin Maria Voce.

Maria Voce, die Fokolar-Bewegung ist in katholischem Umfeld entstanden und von der katholischen Kirche anerkannt. Trotzdem schließen sich ihr auch Menschen anderer Kirchen an. Was verbindet Sie mit ihnen?

Ich erinnere mich vor allem an eine Begegnung in Deutschland, bei der fast nur Angehörige der Bewegung aus anderen Kirchen anwesend waren. Das Stärkste war, zu entdecken, dass sie alle wirklich meine Schwestern und Brüder sind, ganz tief! Das hat mich angerührt, auch weil sie in gewisser Weise einen jahrhundertealten Schmerz mitbrachten. Aber es war nicht ihr Schmerz, es ist der im Herzen Gottes: zu sehen, dass die Kirchen getrennt sind. Und es ist ein Schmerz, den insbesondere derjenige empfindet, der von Gott das Geschenk der Einheit bekommen hat. All das, was wir als Bruch, Hindernis, Schwierigkeit auf dem Weg der Einheit empfinden, lässt uns leiden; dessen sind wir uns miteinander bewusst geworden. Und dieses Leid spüren wir besonders, weil wir zu derselben Familie gehören.

Eine originelle Familie, aus Katholiken, Evangelischen, Orthodoxen …

Ja! Denn Gott hat das Charisma der Einheit Angehörigen verschiedener Kirchen geschenkt: nicht nur uns Katholiken, auch Reformierten, Evangelischen, … Dieses Geschenk verbindet uns; es lässt uns aber gleichzeitig auch leiden an all dem, was nicht eins ist.

Dann ist die Trennung eine Wunde, die die Bewegung in ihrem Innersten trifft?

Wir gehören zu verschiedenen Kirchen. Das ist ein Schmerz, weil diese Kirchen noch nicht geeint sind! Aber es ist auch ein Geschenk, weil jeder von uns dazu gerufen ist, dieses Charisma in seine Kirche zu tragen.
Es ist kein Zufall, dass Gott Menschen aus verschiedenen Kirchen beruft. Bei Gott gibt es keine Zufälle! Es ist großartig, zu verschiedenen Kirchen zu gehören und dasselbe Charisma erhalten zu haben: von Gott gerufen, alles dafür einzusetzen, dass sich dieser Wille Gottes verwirklicht: „Alle sollen eins sein”.

Die Tatsache, dass wir den Schmerz der Trennung teilen, ist in sich ein Reichtum; das ermöglicht auch die Gegenwart Jesu unter uns. Und Jesus in unserer Mitte ist das größte Geschenk, das wir gemeinsam den Kirchen und der Welt machen können.

Ist das auch eine Chance für die Ökumene?

Mir scheint, als sei dadurch, dass Menschen verschiedener Konfessionen zur Fokolar-Bewegung gehören, etwas vorweggenommen, was einst sein wird, wenn endlich die Mauern zwischen den Kirchen fallen. Vielleicht will Gott uns vorbereiten …

Ist der Schmerz der Trennung deshalb inexistent? Nein! Die Kirchen sind nach wie vor getrennt. Können wir beruhigt sein? Nein, keineswegs! Solange die Kirchen getrennt sind, müssen wir alles tun, um zur Einheit zu kommen; Ökumene also… Aber sie ist das, was wir als Angehörige der Bewegung miteinander leben im Blick auf all die, denen wir unser gemeinsames Zeugnis weitergeben wollen.
Gabi Ballweg

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Mai 2011)
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