14. Dezember 2012

Im Land der Clans und Castles

Von nst1

Whisky, Kilt und Dudelsack – das ist Schottland. Aber noch viel mehr. Davon konnten sich 46 Mitfahrende aus Deutschland, Österreich und der Schweiz bei unserer zehnten Leserreise überzeugen.

Das Meer ist nur wenige Meter vom Hotel entfernt. Aus dem Fenster kann man direkt auf den Atlantik und einige Inseln blicken. Wir sind in Oban, einem kleinen Städtchen an der Westküste Schottlands. Am Vorabend hatten wir die hiesige Destillerie besucht, waren in die Kunst des Whisky-Brennens eingeweiht worden und hatten natürlich auch eine Kostprobe genossen.

Am Morgen ist es noch kühl und frisch. Die Wolken ziehen bedrohlich schnell. Sicherheitshalber sind wir mit wetterfester Kleidung unterwegs, als die Fähre ablegt. Unser Ziel ist die kleine Insel Iona. Als wir ankommen, wärmt uns hellster Sonnenschein. Hier gründete der irische Mönch Columban mit zwölf Gefährten im Jahr 563 ein Kloster, Ausgangspunkt für die Christianisierung Schottlands. Die Iona Community, eine kleine, 1938 gegründete ökumenische Gemeinschaft, hat die Ruinen der alten Abtei mit großem Einsatz wieder aufgebaut. Kirche, Kloster und dazugehörige Gebäude, umgeben von saftig grünen Wiesen und dem rauen Meer, strahlen eine eindringliche Ruhe aus. In der friedvollen Atmosphäre lässt sich erspüren, dass die Mauern, der Stein, die keltischen Kreuze über Jahrhunderte Zeugen eines tiefen Gebets- und Glaubenslebens waren, das die Iona Community wiederbeleben will.

In den kommenden Tagen machen wir auch Bekanntschaft mit den traurigen Kapiteln der schottischen Geschichte. Regen und tiefliegende Wolken empfangen uns im Tal von Glencoe, dichter Nebel verbirgt die Stätte des Massakers von 1692. Hintergrund waren langjährige Streitigkeiten zwischen dem schottischen und dem englischen Thron, erklärt uns Reiseleiterin Heide Willich-Lederbogen. Die Campbells hielten mit einem Teil der Hochlandclans zum englischen, die MacDonalds mit anderen Clans zum schottischen Königshaus. Weil der Clanchef der MacDonalds nicht fristgerecht einen Treueeid auf den englischen König schwor, sann der auf Rache. Die Campbells mischten sich unter englische Regierungssoldaten und quartierten sich mit in den Häusern der MacDonalds ein; möglich war das, weil die Gastfreundschaft in den Highlands ungeschriebenes Gesetz ist. Nach zehn Tagen jedoch metzelten die Gäste ihre Gastgeber plötzlich hinterhältig nieder.

Ein halbes Jahrhundert später erfuhren die Auseinandersetzungen um die Frage einer schottischen oder englischen Herrschaft erneut einen tragischen Höhepunkt: Bei der Schlacht von Culloden verloren am 16. April 1746 in nicht einmal einer Stunde rund 1500 Highlanders und 50 Soldaten ihr Leben.

Auch viele der Burgen und Burgruinen bergen ihre dunklen Geheimnisse, sind aber dennoch imposante Erscheinungen dank ihrer majestätischen Lage an einer Steilküste am Meer oder am Ufer eines der zahlreichen Seen. Cawdor Castle bei Inverness und Crathes Castle bei Aberdeen sind eingebettet in malerische, liebevoll angelegte Schlossgärten. Immer wieder treffen wir auf Dudelsackspieler in Schottenröcken, die lautstark, passend zu Wetter und Landschaft, mal melancholische, mal feierlich-fröhliche Weisen aus ihren Bagpipes herausholen.

In Edinburgh waren wir zu Beginn der Reise auf die Geschichte der Reformation gestoßen und die daraus hervorgegangene Presbyterianische Kirche. Ein sehr engagierter Herr im Kilt und eine ebenso lebendige Dame hatten uns durch die St. Giles Kathedrale geführt, deren Bau im Jahr 1120 begonnen wurde. Nahezu mit Inbrunst zeigten sie uns die Anfang des 20. Jahrhunderts angefügte Kapelle der Ritter des Distelordens, die Kanzel, von der aus der schottische Reformator John Knox im 16. Jahrhundert wortgewaltig gepredigt hatte, und erklärten uns die Zusammenhänge bei der Entstehung ihrer Kirche.

Nebenbei werden wir hier und da auf schottische Geistesgrößen aufmerksam wie die Schriftsteller Walter Scott, Robert Burns und Robert Louis Stevenson, den Erfinder James Watt und Adam Smith, Begründer der klassischen Nationalökonomie. In Glasgow lernen wir anhand der Glasgow School of Art das Werk von Charles Rennie Mackintosh kennen. Das Hauptgebäude der Kunsthochschule wurde 1897-99 von dem erst 28-jährigen Jugendstil-Architekten entworfen, der Westflügel entstand 1909. Wegen seines schlichten und doch funktionellen, bis in die Details wie Kacheln, Lampen, Möbel, Wandbilder und Geschirr aufeinander abgestimmten Designs gilt die School of Art als Meisterwerk der Architektur. Dem Studenten der visuellen Kommunikation, der uns von unten bis oben durch das mehrstöckige Haus führt, merkt man seinen Stolz und seine Begeisterung für das ganzheitliche Denken und die Kreativität Mackinstoshs an.

Auf eine spektakuläre, moderne wie umstrittene Architektur waren wir schon zuvor beim erst 2004 eröffneten Schottischen Parlament in Edinburgh gestoßen. Der Kontrast zum in direkter Nachbarschaft gelegenen Palace of Hollyroodhouse könnte kaum größer sein. In dem residierten von 1501 an die schottischen Könige, hier musste Mary Stuart miterleben, wie ihr Privatsekretär erstochen wurde. Heute ist der Palast offizielle Sommerresidenz der Queen.

All die Erlebnisse ziehen noch einmal an unserem inneren Auge vorbei, als wir am vorletzten Tag der Reise mit unserem Bus durch die wildromantische Landschaft des Cairngorms-Nationalparks chauffiert werden. Das erholsame Grün und der Eindruck, Schottland hat vieles zu bieten, wecken die Sehnsucht, wiederzukommen. Wir können kaum glauben, dass wieder mal kein Wölkchen am Himmel zu sehen ist. Erst als wir in Aberdeen in den Flieger steigen, zieht düsteres Wetter auf.

Clemens Behr

Weitere Schottland-Fotos unter www.facebook.com/NeueStadt

Bernadette und Michael Specker, Blaichach/Allgäu:

„Uns hat vor allem die Geschichte der Mönche beeindruckt, die von Iona aus das Christentum nach Schottland gebracht haben: Ihre Geradlinigkeit und Kompromisslosigkeit. Was wussten wir schon von den Heiligen Columban, Mungo in Glasgow oder Machar in Aberdeen?
Wir fanden das Klima in der Reisegruppe sehr angenehm. Auch die kleinen geistlichen Impulse morgens im Bus waren eine gute Idee. Denn manches, was uns an schottischer Geschichte begegnet ist, sprach von Mord, Intrigen, Krieg. Da waren diese Gedanken ein schönes Gegengewicht, auch eine Erinnerung, dass wir mit anderen Augen unterwegs sein wollen.
Auf jeden Fall hat die Reise Geschmack auf mehr gemacht: Wer weiß, vielleicht kommen wir mal wieder, zum Wandern in den Highlands…“

Ursula Schöne, Wuppertal:

„Es war immer schon mein Traum, einmal nach Schottland zu fahren. Auch wegen der schönen, wilden Landschaft, die für mich ein Gefühl von Freiheit vermittelt. Sie ist rau und doch sanft zugleich.
Ich fand toll, dass alles so gut gepasst hat und wir so viel Glück mit dem Wetter hatten: Bei der Fahrt auf die Insel Iona zum Beispiel war es richtig sonnig; erst am nächsten Tag regnete es in Strömen. Das passte dann aber auch von der Stimmung her zu den traurigen Stätten des Massakers von Glencoe, an denen wir vorbeikamen.“

Gisela und Emil Müller, Tauberbischofsheim:

„Uns gefallen die Leserreisen der NEUEN STADT wegen der Gemeinschaft, die wir erleben, und wegen des geistlichen Programms. Die Mitreisenden gehen sehr achtsam miteinander um; jeder versucht, pünktlich zu sein, um die anderen nicht warten zu lassen.
An Schottland hat uns die Weite des Landes imponiert. Nachdenklich gestimmt haben uns die ständigen Auseinandersetzungen und die Schlachten und dass der Mensch offenbar so wenig daraus lernt. Andererseits erinnern die Geschichte, die Burg- und Kirchenruinen an unsere Vergänglichkeit: Alles vergeht; wir jedoch sind auf das Ewige hin geschaffen, das nicht vergeht.“

Heide Willich-Lederbogen, Reiseleiterin Biblische Reisen Stuttgart:

„Ich will die Schotten als Volk mit einer großen Geschichte nahebringen: wie es zu den langandauernden Feindseligkeiten mit England kam und der engen Verbindung zu Frankreich, obwohl das ja weiter weg liegt. So eine Reise ist ein Eintauchen in Geschichte, Kultur und Mentalität. Es geht mir auch um die religiösen Zusammenhänge: wie sich die verschiedenen Konfessionen hier entwickelt haben. Schade, dass es doch nicht zu intensiveren Begegnungen mit der presbyterianischen Gemeinde in Glasgow und der Gemeinschaft von Iona gekommen ist!
Obwohl es eine relativ große Reisegruppe war, habe ich sie als sehr einheitlich erlebt. Die Teilnehmer haben sich schnell zusammengefunden. Alle waren sehr offen; jeder konnte sich zu jedem an den Tisch setzen und man kam leicht ins Gespräch.“

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Oktober 2012)
Ihre Meinung ist uns wichtig, schreiben Sie uns! Anschrift und E-Mail finden Sie unter Kontakt.
(c) Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München