25. März 2013

Die frische, angenehme Stimme

Von nst1

Elisa Eichberg gilt in ihrer Radio-Redaktionals Exotin: Sie berichtet über Kirche und Glauben ausgerechnet in Sachsen, wo nur jeder Fünfte getauft ist. Wie kommt sie damit an?

Sie hat ein sonniges Gemüt, plaudert gerne mit jedermann, dialektfrei und mit frischer, angenehmer Stimme – Elisa Eichberg bringt beste Voraussetzungen mit für einen Job beim Privatrundfunk. Dennoch hat sie im Dresdner Team vom sächsischen Hitradio RTL auch nach fast drei Jahren immer noch eine Exotenrolle: Sie ist Kirchenredakteurin. In einer Branche, die nicht gerade als kirchenfreundlich gilt, und in einer Region mit fast verschwindender christlicher Minderheit ist die Katholikin gemeinsam mit ihrer evangelischen Kollegin im 120 Kilometer entfernten Leipzig dafür zuständig, dass kirchliche Themen nicht nur in besinnlichen Morgenimpulsen, sondern auch in Nachrichtensendungen und anderen redaktionellen Beiträgen des Senders vorkommen. Ihren Arbeitsplatz verdankt sie Staatsverträgen, die private Rundfunkanstalten verpflichten, den Kirchen Sendeplätze einzuräumen.
„Für meine Kollegen bin ich ,die Kirche’“, erzählt die 29-Jährige. Je nach Biografie derer, die mit ihr zusammenarbeiten, ist sie Kuriosität, Stein des Anstoßes, Vertrauensperson, wandelndes Lexikon oder moralische Instanz.
Viele stellen an sie höhere moralische Erwartungen als an sich selbst, reagieren befremdet, wenn ihr mal ein Schimpfwort herausrutscht.

Der Redakteur, der eine Papst-Gedenkmedaille geschenkt bekam, kommt zu ihr, um das mitzuteilen, ebenso die Büronachbarin, die mit dem Nachbarskind in der Bibel gelesen hat. Ein Kollege diskutiert mit ihr sämtliche kirchlichen Negativ-Schlagzeilen. Nicht selten vertraut man ihr private Probleme an. Auch bei Themen, in denen es „menschelt“, wird Elisa Eichberg häufig angefragt. „Die meisten Teamkollegen trauen mir offenbar zu, dass ich sensibel auf die Interviewpartner eingehen kann“, hat die junge Journalistin beobachtet.
Schon seit der Schulzeit ist sie gewöhnt, eine Sonderrolle einzunehmen: In ihrem Gymnasium in Hoyerswerda war sie die einzige Katholikin im Jahrgang. „Ich konnte dort niemanden bewegen, meinen Glauben anzunehmen“, erinnert sie sich, „aber ich habe von mir persönlich erzählt, von dem, was ich lebe und was mir wichtig ist.“ Wenn sie für Hitradio RTL ihren täglichen Verkündigungs-Beitrag produziert, macht sie dies in der gleichen Haltung. Die studierte Theologin gibt Informationen zum Kirchenjahr und zu christlichen Traditionen und stellt Lebensgeschichten so vor, dass sich auch Nichtchristen angesprochen fühlen können. „Ich erwarte aber nicht, dass sie meine Sichtweise übernehmen“, betont sie.

Von der Kirche entsandt zu sein, empfindet sie zuweilen als Last. Ihr Glaubenszeugnis wäre ohne die offizielle Rolle überzeugender, sagt sie. Für wenig hilfreich hält sie auf den festen kirchlichen Sendeplätzen auch den obligatorischen Nachsatz „Dies war ein Beitrag der katholischen Kirchenredaktion“. Bei Hörern, die dem Glauben gegenüber offen sind, gegen Kirche als Institution aber Vorbehalte haben, schlägt das Türen zu, meint Elisa Eichberg. Trotz allem ernten sie und ihre evangelische Kollegin überwiegend positive Hörerreaktionen: „Könnten Sie uns Ihre schönen Gedanken noch mal zusenden?“ lautet eine der häufigsten Anfragen. Nicht selten teilen Hörer mit, dass sie ein ermutigender Impuls aus der Morgenbesinnung „Nachgedacht“ gerade im richtigen Augenblick erreicht hat. Eine Grundschullehrerin sammelt die Beiträge und liest sie gemeinsam mit ihren Schülern. Ein Brautpaar fragte kürzlich an, ob es einen Satz aus einem „Nachgedacht“ als Trauspruch verwenden dürfte.

Mit jedem Sendebeitrag erreicht Elisa Eichberg über 100 000 Zuhörer, mehr als ein Pfarrer mit all seinen Predigten in einem Jahr. „Ich sehe meine Arbeit als Chance, zu manchen Fragen des Lebens eine andere Sicht aufzuzeigen als die allgemein verbreitete“, sagt die Dresdnerin. Wenn sie Menschen vorstellt, die trotz schwerer Krankheit ihren Lebensmut bewahren, sich in ihrer Freizeit um Asylbewerber kümmern oder ihre Angehörigen pflegen, bietet sie Denkanstöße, die ohne sie im Programm kaum vorkämen. Dabei stellt sie keinesfalls nur christliche Lebensentwürfe vor: „Wahrzunehmen, mit wieviel Herzblut sich auch Nichtglaubende oft schon seit Jahren für Werte wie Mitmenschlichkeit und Gerechtigkeit engagieren, kann alle bereichern und auch für Christen ein Ansporn sein.“ Besonders freut sie, wenn ihre Gesprächspartner auch über die Motivation für ihr Engagement Auskunft geben können. Bei Christen lässt sie in diesem Punkt nicht so schnell locker. Bei Floskeln wie „Mein Glaube ist mir wichtig“ hakt sie freundlich nach: „Und was heißt das konkret?“ Ihre Hartnäckigkeit kommt in der Regel gut an. Ein christliches Ehepaar bedankte sich noch Monate später für ein Interview – obwohl sie Nachfragen riskiert hatte wie „Was ist denn an Ihrer christlichen Ehe Besonderes?“ Die Eheleute hatten sich ernst genommen gefühlt und gemerkt, dass die Journalistin während der Aufnahmen nicht ständig die Uhr im Blick hatte. Natürlich wolle sie prägnante Statements mit in die Redaktion bringen, räumt Elisa Eichberg ein.

Noch wichtiger sei ihr jedoch die Begegnung mit den Menschen, die in ihren Beiträgen vorkommen.
„Das Vertrauen, das sie mir entgegenbringen, und die Offenheit, mit der
sie von sich erzählen, macht mich immer wieder froh“, erzählt sie.
Auch die Gespräche mit denRedaktionskollegen empfindet sie oft als Gewinn. Als ihr kürzlich ein nichtgetaufter Kollege erzählte, wie bewegend er es bei seiner Hochzeit mit einer Christin fand, gesegnet zu werden, brachte sie das auf die Idee, wieder einmal über kirchliche Segnungsfeiern am Valentinstag zu berichten. Hilfreich fand sie auch den Hinweis eines Nachrichtenredakteurs, er finde es arrogant, kirchliche Fachbegriffe nicht zu erklären: „Unsere Hörer sind ja nicht dumm; die meisten haben nur eine ganz andere Lebenswelt als du.“ Statt „Landessynode“ heißt es in Elisa Eichbergs Nachrichtenbeiträgen deshalb einfach „Kirchenparlament“; Begriffe wie „Monstranz“ werden, wenn sie unverzichtbar sind, erläutert. Zu Weihnachten spricht sie nicht von der „Menschwerdung Gottes“, sondern darüber, wie nah Gott den Menschen ist.

Manchmal ist das Miteinander imRedaktionsteam für sie auch eine Herausforderung. Der Konkurrenzdruck, dem private Sender unterliegen, ist groß. Dementsprechend hoch ist die Bereitschaft, ethischen Bedenken zum Trotz über Ereignisse zu berichten, nur weil alle anderen das auch tun.
Wenn die Kirchenredakteurin den Eindruck hat, dass eine Berichterstattung unnötig die Privatsphäre der Betroffenen verletzt, meldet sie sich zu Wort.
Nicht immer findet sie mit ihren Einwänden Gehör. So etwa als der Selbstmord eines Dresdner Kapellknaben öffentlich wurde. Sie wollte es knapp bei den bekannt gewordenen Fakten bewenden lassen, wurde jedoch zu einem Gottesdienst geschickt, der im Gedenken an den Verstorbenen gefeiert wurde. Details aus dem Privatleben des Chorknaben brachte sie von dem nur widerwillig wahrgenommenen Termin nicht mit ins Studio. Mit ihrem Beitrag waren am Ende dennoch alle zufrieden – vor allem sie selbst. Der Leiter des Kapellknabeninternats und Mitschüler  des Verstorbenen erzählten ihr ins Mikrofon, wie sie mit dem Schicksalsschlag umgehen: dass sie es wichtig finden, Trauer zuzulassen, dankbar sind für die schönen Erlebnisse, die sie mit dem Toten geteilt haben, und das Geschehene als Ansporn verstehen, künftig noch aufmerksamer auf ihre Mitmenschen zu achten.

Dorothee Wanzek

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, März 2013 )
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