12. Juni 2013

Ich nahm mir ein Herz

Von nst1

Erfahrungsberichte

Ärger hatte sich bereitgemacht.
Vor vier Monaten schloss ich für eine Mietswohnung, die ich verwalte, einen Mietvertrag mit einer in Trennung lebenden Frau ab. Sie wollte mit ihren zwei Kindern einziehen. Nachdem sie jedoch nach zwei Monaten immer noch nicht eingezogen war und die Arbeitsagentur den Mietzuschuss kürzte, versuchte ich die Frau viele Male telefonisch zu erreichen – ohne Erfolg. Auch auf eine E-Mail bekam ich keine Antwort. Nun setzte ich mich mit ihrem getrennt lebenden Mann in Verbindung, der mir keine Auskunft gab, mir jedoch versprach, dass er seine Frau bitten wollte, mich anzurufen. Trotz mehrmaligem Anrufen beim Ehemann kam es nicht zu einem Gespräch mit der Frau.

Schon längst hatten sich inzwischen bei mir Ärger und Be- und Verurteilungen breitgemacht. In dieser Situation half mir besonders ein Gedanke: „an den anderen glauben, auch wenn alles dagegen spricht“ und das Lebenswort vom März: „Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“ (Johannes 8,7). So nahm ich mir vor, zu vertrauen und nicht zu urteilen sowie auch für diese Familie zu beten. Das half mir, die ganze Situation gelassener zu sehen und ruhig zu werden.
Nach einiger Zeit bekam ich überraschend einen Anruf vom Ehemann, der nun das „Geheimnis“ lüftete und berichtete, dass seine Frau eine längere Therapie in einer Psychiatrischen Klinik machen musste, weil sie durch den plötzlichen Tod ihrer Zwillingsschwester vor zwei Jahren und die Versorgung von deren drei Kindern psychisch krank geworden war. Diese Situation hatte auch ihre Ehe enorm belastet. Nun sollte er von seiner Frau ausrichten, dass sie auf Rat des Therapeuten noch nicht in der Lage sei, wieder selbstständig zu leben und deshalb zu ihrer Familie zurückkehren wollte. Ich sollte ihr mitteilen, wie es möglich wäre, aus dem Vertrag auszusteigen.
Nach diesem Gespräch war ich sehr betroffen und gleichzeitig auch froh und dankbar, dass mir der Gedanke und das Lebenswort wieder einmal einen guten Weg im Umgang mit Mitmenschen in einer schwierigen Situation gezeigt hatten. Es kam mir dann noch eine gute Idee, wie es möglich war, im gemeinsamen Einvernehmen aus dem Vertrag unbürokratisch auszusteigen. Dem Ehemann, dem ich später nochmals begegnete, konnte ich dann innerlich ruhig alles Gute für seine Familie wünschen.
R.Z.

Ich nahm mir ein Herz.
Seit Monaten gab es in unserer Pfarrgemeinde einen Konflikt zwischen verschiedenen Personen. Sie gingen sich aus dem Weg und sprachen nicht mehr miteinander. Wir selbst wohnen erst seit vier Jahren in diesem Ort, doch ich versuchte jede Gelegenheit wahrzunehmen, freundlich mit jedem Kontakt zu halten.
Im Januar nahm ich mir ein Herz und gab jedem das Wort des Lebens „Darum lernt, was es heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer.“ Einige Tage darauf habe ich telefonisch bei drei Personen angefragt, die auch in den Konflikt einbezogen waren, ob ich sie gemeinsam zu einem Treffen bei uns einladen könne. Es war sehr schwierig, einen Termin zu finden. Erst für Ende Februar klappte es dann. Zunächst habe ich mich sehr darauf gefreut. Aber eine Woche vor dem Treffen bekam ich eine schwere Grippe. Ich lag ein paar Tage mit Fieber im Bett. So bekam ich große Sorgen, wie ich diesen Abend angehen sollte.

Zwei Tage vor dem Termin hatte ich dann keine Stimme mehr und konnte nur noch krächzend flüstern. Sollte ich den Termin absagen? – Aber dann dachte ich daran, dass Gott mir vielleicht gerade meine Stimme weggenommen hatte, damit ich möglichst wenig selbst sagte. So habe ich alles in Seine Hand gelegt.
Am Abend habe ich nur einen ganz kleinen Imbiss vorbereitet und krächzend jeden freundlich begrüßt. Über zwei Stunden haben die verschiedenen Parteien auch kontrovers miteinander gesprochen, aber zum Schluss gaben sie sich dann die Hand. Ein Anfang war gemacht.
M.M.

Zwischen den Tor-Jubeln
Vor Kurzem hat mich eine Freundin eingeladen, mit ihr und anderen zusammen die Übertragung des Fußballspiels Dortmund gegen Madrid anzuschauen. Es versprach ein sehr spannendes Champions League – Spiel zu werden. Trotzdem wollte ich zunächst nicht hingehen. Eigentlich musste ich ja noch viel lernen.
Aber dann ließ es mir keine Ruhe. Irgendetwas sagte mir, dass es doch gut wäre, den Abend mit dieser Freundin zu verbringen, und so sagte ich ihr dann doch noch zu.
Während der Übertragung des Spiels bemerkte ich schon bald, dass meine Freundin mich immer wieder anschaute. Ich fragte sie, ob bei ihr alles okay sei. Und obwohl sie sonst nie über sich selbst redet, erzählte sie mir dann völlig überraschend und sehr offen von Schwierigkeiten in ihrer Familie. Ich hörte einfach zu.
Zwischen den verschiedenen „Tor-Jubeln” entwickelte sich so nach und nach ein sehr persönliches Gespräch und ich lernte sie viel besser kennen. Am Ende waren wir beide glücklich: sie, dass sie reden konnte, und ich über das geschenkte Vertrauen!
J.M.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Juni 2013)
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