10. Juni 2013

Wie im richtigen Leben

Von nst1

Familie ist keine heile Welt; das Ringen um echte und wahrhaftige Beziehungen rückt in den Mittelpunkt, nicht nur im Film.

Eine Familie: Jeder hat sie und viele wünschen sie sich ganz anders. Sie steht auch im Zentrum der Komödie THE BIG WEDDING 1). Unterhaltsam, lustig, aber nicht oberflächlich zeigt sie dem Publikum eine US-amerikanische Patchworkfamilie. Um die Hochzeit des Adoptivsohns entfaltet sich eine vielschichtige Geschichte. Dabei werden die Probleme, die auf den Beziehungen liegen, ernst genommen: Die Charaktere gehen konstruktiv und empathisch miteinander um und bleiben nicht in Kränkungen verhaftet. Das ist inspirierend und Anreiz, sich einmal genauer anzuschauen, wie „Familie“ sich in ganz aktuellen Filmen findet.

Das Spektrum an Situationen, in die der Zuschauer hineinfühlen kann, ist sehr breit: alleinerziehende Väter oder Mütter; Kinder, die Verantwortung für ihre Eltern übernehmen; bürgerliche und ganz alternative Familienkonstellationen rücken in den Fokus. Etwa in der magischen Liebesgeschichte THE BROKEN CIRCLE 2), die von einem exzentrischen, gleichzeitig authentischen Paar erzählt, das sich der Verantwortung stellt, ein Kind großzuziehen. An der Trauerarbeit über dessen frühen Tod zerbricht das Paar. Dennoch endet der Film mit einem Hoffnungsfunken – einer Verbindung zu Übernatürlichkeit und Leben nach dem Tod. In einem sehr bürgerlichen Setting spielt hingegen WAS BLEIBT (2012). Mit völlig falsch verstandener Rücksicht aufeinander geben die Familienmitglieder vor, eine „heile Familie“ zu sein; nach der Katastrophe, dem Suizid der Mutter, finden sie sich jedoch neu.

Die so unterschiedlichen Geschichten eint die Erkenntnis, dass Familien nicht permanent harmonisch oder reibungsfrei sein können, dass nur Empathie, Offenheit und das Annehmen von Schwierigkeiten Familien zusammenwachsen lassen. Diese Botschaft transportiert – obgleich in ganz anderen Zusammenhängen – auch LOVE IS ALL YOU NEED (2011): Der Verlobte gesteht kurz vor der Hochzeit seine Homosexualität ein, was zwar nicht zum Happy End der Trauung in Weiß führt, wohl aber zu echten und wahrhaftigeren Beziehungen innerhalb der betroffenen Familien.

Ein besonderes Juwel ist HAUS TUGENDHAT 3). Beworben wird der Film zwar als die Geschichte eines Hauses im tschechischen Brno. Tatsächlich geht es aber um viel mehr: Die Nachkommen der jüdischen Familie Grete und Fritz Tugendhat engagieren sich für die Rettung des sozialutopischen Baus. Trotz Emigration, Verfolgung und Enteignung berühren die Interviews mit den Familienmitgliedern: Das Haus verbindet sie, auch wenn sie unterschiedliche Meinungen über dessen Zukunft haben.

Familiäre Lebenssituationen im Film machen also Mut: wahre und ehrliche Verbindungen zu leben, Gefühle zuzulassen und Konflikte offen auszutragen und zu bereinigen, Probleme nicht unter den Teppich zu kehren, sondern konstruktiv damit umzugehen und ehrliche Lösungen zu suchen. So rücken Inhalt und Beziehung vor Rahmen und Form, welche in ihrer ganzen Vielfalt abgebildet werden – wie im richtigen Leben.
Klara Sucher, Sophia von Waechter

1) Start: D 30.5.; A 6.6.; CH 13.6.
2) Start: D 25.4.; CH 23.5.; A 14.6.
3) Start: D 30.5.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Juni 2013)
Ihre Meinung ist uns wichtig, schreiben Sie uns! Anschrift und E-Mail finden Sie unter Kontakt.
(c) Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München