14. Juli 2015

Alleinerziehend – und doch nicht allein

Von nst1

Der Mann hat sie verlassen. Mit ihren drei Kindern ist sie aber dennoch nicht nur auf sich gestellt. Eine Frau erzählt, wo sie die Nähe Gottes im Alltag als Alleinerziehende erlebt.

Gemeinsam in Liebe alt werden, das Glück für immer festhalten, wer wünscht sich das nicht? Studien zeigen, dass sich 80 Prozent der jungen Erwachsenen eine Partnerschaft – wenn möglich auch mit Kindern – in Liebe und verbindlicher Treue wünschen. Dennoch zerbrechen Beziehungen, Partnerschaften, Ehen. Davor sind auch Christinnen und Christen, die diesen Weg mit Gott gehen wollten, nicht bewahrt. Als Alleinerziehende oder Geschiedene bleiben auch bei ihnen Brüche, Verletzungen, neue Herausforderungen. Damit umgehen und trotzdem an eine Zukunft und an die Liebe Gottes glauben, ist für viele dann eine der größten Herausforderungen.
Dass Gott aber auch in solchen Situationen mitgeht, bezeugt eine junge Frau und erzählt an konkreten Beispielen, wie sie das in ihrem Alltag als Alleinerziehende mit drei Kindern erlebt:

„Vor etwa sechs Jahren verließ mich mein Mann wegen einer anderen Frau. Ich war zu dem Zeitpunkt wegen der Kindererziehung schon jahrelang aus meinem erlernten Beruf ausgestiegen. Meine Kinder waren acht, sechs und vier Jahre alt. Nach der Geburt unseres ersten Kindes hatten wir zusammen ein Haus gekauft.

Für mich war die Entscheidung meines Mannes ein Schock. Ich habe immer an eine christliche Ehe geglaubt und dachte, mein Mann denkt ebenso. Wir hatten uns auch bewusst für die Ehe entschieden und wollten eine christliche Familie sein. Doch dann kam der Alltag mit vielen Sorgen und Problemen, sie bestimmten zunehmend unser Leben. Jeder von uns beiden lebte immer mehr für sich. Die schwierige Zeit mit kleinen Kindern, der Hausumbau und die Verantwortung für die gegründete Familie zehrte immer mehr an unseren Kräften – bis hin zur totalen Erschöpfung. Wir stritten sehr viel. Es gab noch einen Versuch, uns helfen zu lassen; aber das hat nicht mehr funktioniert. Irgendwann lernte mein Mann eine andere Frau kennen und wollte mit ihr ein neues Leben beginnen. Er beendete unsere Beziehung.

Die Verletzung war sehr groß. Mein ganzes Leben war von einem Tag auf den anderen zerstört. Ich habe für mich keine Zukunft mehr gesehen. Trotzdem versuchte ich, mein Leben immer wieder neu in Gottes Hand zu legen, Augenblick für Augenblick. Langsam ist daraus ein fester Glaube entstanden, der mir auch half, mit meinen Verletzungen umzugehen.

Im Alltag komme ich immer wieder an meine Grenzen, dann bitte ich Gott um Hilfe.

Diese kommt von unterschiedlichsten Seiten: Anfangs konnte ich mir beispielsweise gar nicht vorstellen, wie ich das mit der Kinderbetreuung, dem Beruf und allem anderen alleine schaffen sollte. Jemand riet mir dann, die Kinderbetreuung auf den Nachmittag auszudehnen und unterstützte mich dabei finanziell. Ich schrieb Bewerbungen und bekam tatsächlich eine Stelle für ein paar Stunden ganz in meiner Nähe. Nach sehr langer Zeit bin ich so wieder in meinen alten Beruf eingestiegen und fand wieder Gefallen an der Tätigkeit.

Ein großes Geschenk ist die Unterstützung meiner Eltern, für die ich sehr dankbar bin. Sie betreuen oft  die Kinder, nehmen sich Zeit für sie, fördern ihre Talente. Beispielsweise lernte mein Sohn Häkeln bei Oma. Und das machte ihm so viel Spaß, dass er an einem Häkelwettbewerb teilnahm und den ersten Platz belegte. Dies stand dann in der lokalen Presse und kam sogar im Radio – was natürlich für ihn eine tolle Sache war und ihm sehr viel Bestätigung gab. Opa baute zusammen mit seinen Enkelkindern ein Baumhaus, das diese heute noch lieben.

Manchmal ist meine Freizeit sehr knapp bemessen, weil die Kinder mich brauchen oder etwas anderes Wichtiges ansteht. Deshalb schätze ich die wenigen Möglichkeiten, die sich bieten, umso mehr: Wenn ich zu einem Konzert eingeladen werde; eine Bekannte mich oft anruft und fragt, ob wir etwas zusammen unternehmen; wenn sich die Möglichkeit ergibt, mit jemandem Sport zu treiben. Bei diesen Gelegenheiten kann ich manchmal ganz abschalten und bin dann selbst erstaunt, wie gut ich mich in der kurzen Zeit erholen konnte.

Ich glaube, sehr viele Freunde und Bekannte tragen meine Situation mit, in Form von Gebet oder konkreter Hilfe. Manchmal ist dies auch die Unterstützung bei der Kindererziehung und oft wurde ich schon von den Pädagogen der Kinder angesprochen, dass sie sich so gut entwickeln.

Oft bekommen wir auch Kleidung geschenkt von Familien mit älteren Kindern, zum Teil ist auch teure Markenkleidung dabei. So wurde mein Sohn schon das ein und andere Mal in der Schule angesprochen, weil er ein Kleidungsstück einer modernen Marke trug. Für mich wäre es aus finanziellen Gründen nicht möglich, diese Markenkleidung zu kaufen, und so freue ich mich umso mehr, wenn wir es geschenkt bekommen.

Ein anderes Mal stand eine Mutter vor meiner Haustür mit einem großen, original verpackten Karton einer Lego-Serie. Sie erzählte mir, dass sie ihn für ihre Söhne gekauft hatte, die aber kein Interesse zeigten. Weil sie nun wusste, dass mein ältester Sohn sehr gerne Lego spielt und damit tolle Sachen baut, wollte sie es lieber ihm schenken. Er hat es dann zu Weihnachten bekommen und mir im Nachhinein erzählt, dass er sich genau diese Serie immer gewünscht, sich aber nicht getraut hatte, es zu sagen.

Dann hatte mein Sohn Firmung. Kaffee und Kuchen sollte es bei uns zu Hause geben. Alles war schon geplant, auch wer welchen Kuchen bäckt. Ein paar Tage vorher bekam ich von jemand eine Nussecke geschenkt. Erst da fiel mir auf, dass dies die Lieblingssorte meines Sohns war, ich das aber bei der Planung nicht berücksichtigt hatte. Nun sah ich keine Möglichkeit mehr, das noch zu organisieren. Wie erstaunt war ich, als mich nach einem Gottesdienst eine Verwandte ansprach: Ob ich noch einen Kuchen für die Firmung gebrauchen könnte? Ich bejahte, sie verriet mir aber nicht, was sie backen würde. Am Abend vor der Firmung brachte sie uns auf einem großen Teller Nussecken vorbei.

Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, manchmal aber auch wirklich große Dinge, durch die ich ganz greifbar Gottes Liebe in meiner Lebenssituation erfahre. Für mich ist es aber auch eine starke Erfahrung von gelebter, konkreter Gemeinschaft, dass ich und andere nicht allein gelassen werden. Und ich wünsche mir, dass auch ich immer sensibler werde für die Nöte meiner Mitmenschen und wir uns immer mehr gegenseitig unterstützen.
B.G.

 

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Juli/August 2015)
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