11. September 2015

Im Strom der Klänge

Von nst1

Streaming: Musik in jeder Lebenslage?

„Deezer“, „Napster“, „Spotify“, „Soundcloud“ und seit diesem Sommer auch „Apple Music“: Waren bis vor einigen Jahren CD-Sammlungen und Mp3-Player üblich, hören mittlerweile mehr als ein Drittel der Internetnutzer über 14 Jahre regelmäßig Musik direkt über das Internet: Die Musik wird „gestreamt“ und die entsprechenden Streamingdienste haben sich die eingangs aufgezählten englischen Kunstnamen gegeben.
Bei den verschiedenen Anbietern können Musikliebhaber aus Millionen von Titeln auswählen. Während eine Premium-Nutzung Geld kostet 1), wird die Musik bei den Gratis-Versionen durch Werbung unterbrochen. Die Ausnahme ist „Soundcloud“, wo man nicht-kommerzielle Musik findet. Ein Großteil der Nutzer hört aus verschiedenen Alben neu zusammengesetzte Sammlungen – „Playlists“. Geordnet sind sie nach Musikgenres, Anlässen und Stimmungen. Nutzer können auch selbst Playlists erstellen und sie dann mit anderen „teilen“. Damit haben sie eine ganz auf ihren Geschmack zugeschnittene Alternative zum Musikprogramm in den Radios.
Die Playlists tragen Namen wie „After Work Infusion“, „Mixed Generation Party“, „Die Putz-Playlist“, „Songs to Sing in the Shower“, „Mood Booster“, „Just Cry, Sad Songs“ oder „Maximale Konzentration“, und sie versprechen den passenden Soundtrack für jede Lebens- und Stimmungslage.
Ein Vorteil von Musik-Streaming ist, dass man die schier unendliche Auswahl – mobiles Internet vorausgesetzt – „immer dabei“ hat. Um sie auch offline hören zu können, reicht ein Gratis-Account allerdings nicht aus. Die Streaming-Anbieter haben Verträge mit Plattenlabels, während die Künstler selbst nur minimal daran verdienen. Doch ihren Bekanntheitsgrad fördert es allemal.
Ich selbst habe über den Laptop „Spotify“ genutzt. „Soundcloud“ kenne ich länger, nutze es aber kaum noch. Es braucht mehr Zeit zum Suchen, fühlt sich eher nach „Schatzsuche“ an. Viele Amateure haben ihre Werke hier hochgeladen: Auch wenn nicht alle hörenswert sind, ist das Angebot doch bunter, ungewöhnlicher. Was mich bei „Spotify“ überrascht: Hier finde ich sogar meine Sonderwünsche – sowjetische Kino- und Kindermusik, Lieder von Barbara Bonney und Volksmusik von „Opas Diandl”. Wenn „Spotify“ wie ein Spaziergang im Stadtwald ist, ist „Soundcloud“ der Urwald.
„Dir fehlen die richtigen Worte? – Teile doch einfach einen Song!“, heißt es in einer Werbeeinschaltung auf „Spotify“. Spricht nichts dagegen, finde ich, solange wir die Ohrhörer bei all der digitalen Musik nicht in den Ohren vergessen. Sondern auch die „Musik“ der Welt um uns herum hören, den Straßenlärm, jemanden, der spricht, den Wind und das Vogelgezwitscher. Und war da nicht noch etwas? Ach ja, die Stille…
Barbara Fuchs

1) Man muss mit knapp 10 Euro pro Monat und Nutzer rechnen. Einige Dienste bieten günstigere Familienaccounts an.

 

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, September 2015)
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