23. Mai 2018

Mehr Gelassenheit

Von nst5

Die Anforderungen in der Arbeitswelt wie im Privatleben nehmen zu. Einige
„ Leitplanken“ helfen Thomas Haselberger, mit ihnen umzugehen.

Foto: privat

Thomas Haselberger
Jahrgang 1964, wohnt in Augsburg und arbeitet seit 25 Jahren als Controller in einem großen Versicherungsunternehmen. Eine Herz-OP und ein Burn-out haben ihn für die Gefahren des Effizienz- und Leistungsdenkens sensibilisiert. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

“Leistungsdenken finde ich nicht grundsätzlich schlecht. Für Unternehmen ist es sogar existenziell, da sie im Wettbewerb nur überleben können, wenn sie ihren Kunden möglichst gute Waren oder Dienstleistungen liefern.
Für mich als kleines Rad im von Konkurrenz geprägten System führt das leicht dazu, den steigenden Anforderungen nicht mehr gewachsen zu sein. Vor sechs Jahren bemerkte ich einen schleichenden Abfall meiner Leistungsfähigkeit. Erst spät ging ich zum Arzt, der eine Herzerkrankung diagnostizierte. Die erforderliche Operation ging Gott sei Dank sehr gut. Die Überforderung vor der OP führte aber bald zu Burn-out-Symptomen. Mehrere Wochen in einer psychosomatischen Klinik folgten. Zu spät hatte ich auf meinen Körper gehört und stattdessen versucht zu funktionieren! Erst danach wurde mir klar: Ich muss meine Haltung ändern, mein Leben umstellen. Dabei sind mir die Begriffe Achtsamkeit, Akzeptanz und Authentisch-Sein eine große Hilfe geworden. Sie lassen mich mit den Anforderungen gelassener umgehen.
Achtsamkeit mit sich und dem Nächsten heißt für mich, im gegenwärtigen Augenblick zu leben. Konzentriere ich mich ganz auf die anstehende Aufgabe und die Menschen, mit denen ich gerade zu tun habe, oder verliere ich mich in den vielen kleinen Dingen und Erwartungen, die auf mich einströmen? Finde ich das rechte Maß? Ob im Job oder bei ehrenamtlichen Aufgaben: Wann lehne ich Anfragen ab, wann sage ich zu? Die Antworten liegen nicht immer auf der Hand, sondern wollen im Miteinander gesehen werden. Was hat Gott mit mir vor? Dazu suche ich den Dialog mit mir, meiner Frau, meiner Familie, meiner Fokolargemeinschaft und anderen Beteiligten. So gleiche ich äußere Anforderungen mit meinen Möglichkeiten ab und setze Prioritäten. Wenn es gelingt, kann ich etwas leisten, ohne mich zu überfordern.
Akzeptanz, meine nächste Leitplanke, soll dazu beitragen, meine Aufmerksamkeit auf die Punkte zu lenken, die ich beeinflussen kann, und das, was ich nicht ändern kann, als Teil meines Lebens zu akzeptieren. In der Vergangenheit habe ich immer wieder Leistungsanforderungen, die ich aufgrund äußerer Umstände nicht erfüllen konnte, als persönliche Schwäche aufgefasst. Nun versuche ich zu akzeptieren, dass ich Gesundheit und Alterserscheinungen nur begrenzt beeinflussen kann und meine Leistungsfähigkeit abnimmt. Dabei hilft mir, dass ich nicht allein unterwegs bin. Gelingt es mir, innere Barrieren zu überwinden, erfahre ich immer wieder, dass ich die anstehenden Herausforderungen im Miteinander bewältigen kann.
Schließlich versuche ich authentischer zu leben. Rückblickend war mein Verhalten oft von der Suche nach Anerkennung geprägt. Dadurch habe ich meine innersten Überzeugungen zu wenig beachtet. Persönliche „Glaubenssätze“ wie „ich bin nur etwas wert, wenn ich etwas leiste“ zu erkennen und zu korrigieren, hat mir geholfen, eine neue Einstellung zur Leistung zu finden. Und der Glaube, dass mich Gott unendlich liebt, unabhängig davon, was ich leiste.”

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Mai/Juni 2018)
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