18. November 2019

Wort des Lebens . Plus

Von nst5

Einen Freudenkalender beginnen

Die im Wort vom November genannte Aussage des Kirchenvaters Johannes Chrysostomos, dass der Neid es schwerer mache, die Freude der andern zu teilen als ihren Schmerz, legt das Augenmerk auf einen wunden Punkt, der der Heilung bedarf.
Zur Überwindung des Neids gibt es eine Übung, eine Trainingseinheit, die die Schweizer Journalistin Heidi Roth Freudenkalender nannte.
Ein Freudenkalender entsteht Tag um Tag. Er setzt die Entscheidung voraus, wahrnehmen zu wollen, was sich an Gutem und Schönem im eigenen Alltag verbirgt. Er fördert den Instinkt, der wahrnimmt, was zur Freude einlädt. Er fordert die Sinne heraus: zu schmecken, zu fühlen und zu sehen, was im eigenen Leben gut ist – vom Frühstückskaffee bis zum Kind am Fußgängerstreifen, das winkt.
Diesem Training liegt eine Überzeugung zugrunde: Wenn Gott es gut meint mit mir, dann zeigt sich das. Wenn es richtig ist, das Leben auf das Fundament des Glaubens an die Liebe Gottes zu bauen, dann wird das sichtbar.
Eine Übung für Fortgeschrittene ist es, etwas Gutes oder einen Sinn in einem schwierigen Umstand zu erkennen. Dazu braucht es tiefere Wurzeln in der Beziehung zu Gott, ein Hineinreifen, manchmal auch ein Ringen um das Geschenk einer neuen Ein-Sicht.
Die im Dezember-Wort angesprochene Wachsamkeit verleiht der Übung die Dringlichkeit. Uns steht nicht unendlich Zeit zur Verfügung für das Sich-Einüben. Es ist durchaus möglich, die eigene Lebenszeit „ungenutzt“ verstreichen zu lassen. Gerade gegen Jahresende, wenn der Reigen der Tage und Monate sich schließt, wird dies deutlich.
Das Kirchenjahr kennt hier ein Heil-mittel. In den Liturgien gibt es kein Vorüber und kein Gestern. Die hohen Feiern sprechen nur vom Heute. Heute ist der Tag, den Freudenkalender des eigenen Lebens zu beginnen.
Gabriela Inäbnit, Pfarreiseelsorgerin in Emmen-Rothenburg, Schweiz

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, November/ Dezember 2019)
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