23. Januar 2020

Hätte ich die Liebe nicht…

Von nst5

Mit 14 stößt Christine Fugel auf Menschen, von denen sie sich ganz angenommen fühlt. Ohne diese Begegnung wäre ihr Leben anders verlaufen.

Zur Person:
Christine Fugel, 60, ist in einer Familie mit vier Geschwistern in Wuppertal aufgewachsen. Heute lebt sie mit ihrem Mann in Engen im Landkreis Konstanz. Die beiden haben zwei Kinder. „Früher bestand mein Glaubensleben hauptsächlich aus dem Morgen- und Abendgebet und dem Sonntagsgottesdienst“, erinnert sie sich. „Durch Chiara Lubich bin ich darauf gekommen, dass ich ständig mit Gott leben kann.“

Bei meinem ersten Kontakt mit Jugendlichen der Bewegung war ich schüchtern und voll in der Pubertät. Obwohl die meisten älter waren und schon studierten, nahmen sie mich ernst. Dass sie sich so auf mich einließen, hat mich getroffen. Darin kam für mich rüber, wie sehr Gott mich liebt.
Die Begegnung mit Leuten, die von der Spiritualität der Einheit gepackt waren, gab unserer Familie neue Anstöße: Einmal fuhr ich mit meinen Eltern von einer anderen Stadt auf der Autobahn heim. Wir erzählten uns, wie wir versuchten, mit Gott zu leben. Noch nie hatten wir uns so unser inneres Leben anvertraut! So beseelt und vertieft, merkten wir gar nicht, dass wir in die falsche Richtung fuhren.
Mir hat sich eingeprägt, in den verschiedenen Lebensumständen zu fragen: Was möchte Gott? Steht etwas Neues an, merke ich ein Drängen im Bauch. Es geht erst weg, wenn ich mich in die entsprechende Richtung bewege. Auch wenn ich nicht weiß, wohin mich das führt.
Ich machte eine Ausbildung zur Krankenschwester. Die Möglichkeit, zwei Jahre im Krankenhaus in Fontem, einer Siedlung der Bewegung in Kamerun, mitzuarbeiten, zog mich an. In dem abgelegenen, ärmlichen Ort im Urwald kam ich schnell an meine Grenzen. Gerade erst Berufsanfängerin, musste ich mit einfachsten Mitteln auf Situationen reagieren, in denen es um Leben und Tod ging. Ich lebte mit Afrikanerinnen zusammen, hielt mich für weltoffen und merkte plötzlich, wie „deutsch“ ich war: Einmal fauchte ich eine von ihnen an, weil sie die Zutaten für einen Kuchen anders vermengte, als ich es gewohnt war. Statt der von mir erwarteten ungenießbaren Pampe war das Ergebnis ausgesprochen lecker.
Zweimal habe ich in dieser Zeit Chiara Lubich geschrieben. Daraufhin schlug sie mir als Leitwort fürs Leben vor: „Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke.“ (1 Korinther 13,1) Es traf, was mir wichtig geworden war. Zurück in Deutschland, lernte ich meinen Mann kennen, der in einer ähnlichen Siedlung auf den Philippinen gewesen war.
Nach einem Hörsturz kündigte ich meine Arbeit. Wir entschieden, dass ich keine neue Stelle suche. Ich wollte Zeit haben für andere, engagierte mich in der Pfarrei, baute einen Besuchsdienst mit auf, wurde in den Diözesanrat gewählt. Einer syrischen Familie begann ich zu helfen, war Sprachpatin, machte Behördengänge, suchte eine Schule für die Kinder. Das war so lange geplant, bis sie als Asylbewerber anerkannt waren. Aber wir waren Freunde geworden. Da konnte ich nicht einfach sagen: „So, tschüss, das war’s.“
Christine Fugel

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Januar/Februar 2020)
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