16. März 2020

Passiert

Von nst5

Aus dem Leben mit dem Wort

Illustration: (c) FrankRamspott (iStock)

Nachdem ich mich auf den Tag eingestellt hatte, fiel mir eine Frau ein, von der ich lange nichts mehr gehört hatte. Da ich ein wenig Zeit hatte, rief ich sie an. „Es ist so gut, dass du anrufst!“, sagte sie sofort. „Ich hab an meiner Arbeitsstelle heute ein ganz schweres Gespräch und hab ganz schlecht geschlafen, weil ich nicht weiß, wie ich mich verhalten soll! Hast du ein paar Augenblicke Zeit?“ Dann begann sie zu erzählen. Ich hörte über eine Stunde zu und spürte, wie sich beim Erzählen bei der Frau schon manches löste. Ich stellte ein paar Fragen und erzählte zwei kleine Erfahrungen. Am Ende sagte sie: „Du warst echt ein Engel. Jetzt fühle ich mich gestärkt, in den Tag und vor allem in das Gespräch zu gehen!“
M.W.

In unserer Schule war ein Buchverkauf. Meine Mama gab mir Geld für die Bücher. Dann hörte ich, dass ein Mädchen aus meiner Klasse beim Stehlen eines der Bücher erwischt worden war. Jemand sagte, dass sie wahrscheinlich kein Geld gehabt hatte, das Buch zu kaufen. Ich wusste, dass sie wirklich kein schlechter Mensch war. Sie tat mir leid und ich wollte ihr helfen. Ich fragte eine Freundin, ob wir unser Geld zusammenlegen konnten, um das gestohlene Buch zu bezahlen. Zuerst war sie dagegen. Aber ich habe sie überzeugt. Wir kauften das Buch und gaben es dem Mädchen. Ihre Augen leuchteten; sie dankte uns und sagte, dass sie ihre Lektion gelernt hatte und nie wieder stehlen würde.
M., 11 Jahre alt

Ich arbeite in einem kleinen Team, in dem wir uns für benachteiligte Kinder einsetzen. Wir versuchen Brücken zu bauen zwischen Kindern, Erzieherinnen und Eltern und Heiterkeit in einen Alltag zu bringen, der oft durch hohe Belastungen sehr grau ist. Oft springen Funken von Freude, Respekt und Wertschätzung über. Vergangene Woche hab ich mich vorrangig um ein ungarisch-stämmiges Kind gekümmert. Zu Hause spricht es, in der Kita ist es bisher stumm. Seiner jungen Mutter hab ich durch Bilder, die das Kind gemalt hatte, zeigen können, was ihre kleine Tochter schon alles kann und dass sie dringend zum HNO-Arzt mit der Kleinen gehen müsse. In gebrochenem Deutsch sagte die junge Frau am Ende: „Danke – für alles!“
K.C.

An Silvester wurde plötzlich ein kleines Zeitfenster frei. Mir fiel ein älteres Ehepaar ein. Ich kannte sie und ihre Kinder schon seit über 30 Jahren und war manchen Leidensweg mit ihnen gegangen. Ich rief sie an. Ein befreundeter Priester aus Ost-Europa und ich fuhren sie besuchen. Wir hatten genau eine Stunde Zeit und brachten einen Christstollen mit. Ein Kaffee war schnell gemacht. Nach wenigen Augenblicken waren wir in einem tiefen Austausch. „Wie schön, dass ihr da seid!“, sagte die Frau immer wieder. „Wenn wir zusammen sein können, dann ist Weihnachten!“ „Ja“, sagten wir uns auf dem Heimweg. „Es ist Jesus – in der Mitte der Seinen. Und mit ihm ist jeden Tag Weihnachten.“
T.Z.

Ellen ist sechs und geht noch in den Kindergarten. In ihrer Gruppe leben sie nach dem „Würfel der Liebe“, der auf der Goldenen Regel basiert. Ein Kind, Paul, hat Schwierigkeiten beim Gehen und oft wollen die anderen nicht mit ihm spielen, weil er sie herumschubst und es manchmal schwierig ist, ihn zu verstehen. Einmal sollten Ellen und Paul Sand in Flaschen füllen. Paul hatte Mühe und war schnell abgelenkt. Also tat Ellen so, als sei eine der Flaschen ein hungriger Alligator, den sie füttern müssten. Paul war sofort dabei und hielt lange durch. Am nächsten Tag erzählte seine Mutter Ellen, dass Paul sie als große Schwester sah.
(aus den USA)

Es war unvermeidbar, im Büro über Politik zu sprechen, aber auch, dabei die Gegensätze zwischen den Standpunkten zu spüren. Ich war die Spannung leid, die von Tag zu Tag zunahm, vor allem wenn jemand „Wahrheiten“ verkündete, die ich nicht teilen konnte. Mir wurde klar, dass ich zwar nicht die Arbeit wechseln, wohl aber mich selbst ändern konnte. So bemühte ich mich, besser zu verstehen, was den einen oder anderen zu einer bestimmten Position bewegte. Das machte vor allem die neugierig, die mich als „katholisch-konservativen Großkotz“ eingeordnet hatten. Eines Tages sagte mir mein erbittertster „Feind“: „Ich weiß nicht mehr, wo ich dich angreifen soll und sehe, dass du glücklich bist. Deine Freiheit verwirrt mich.“ So haben wir eine konstruktive Freundschaft aufgebaut, die nun anderen hilft, eine verständnisvollere Haltung zu haben.
F.H., Ungarn

Ein Freund vertraute mir an, wie sehr er darunter litt, dass es zwischen seiner Frau und seiner Schwiegermutter große Spannungen gab. Die Streitigkeiten und Ressentiments versetzten alle in schlechte Laune und vor allem die Kinder litten. Ich habe ihm lange zugehört. Am Schluss kam mir als einziger Rat: „Versuche, nicht Partei zu ergreifen, sondern beiden zuzuhören.“ In den nächsten Wochen habe ich die Familie immer wieder besucht, Süßigkeiten und andere kleine Aufmerksamkeiten mitgebracht. Sonst konnte ich wenig tun. Nach einer Weile besuchte mich mein Freund bei der Arbeit. Alles hatte sich auf unvorstellbare Weise gelöst. „Dein Zuhören und dein Dasein haben mir die Kraft gegeben, auch zuzuhören und da zu sein.“
J.F. Korea

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, März/April 2020)
Ihre Meinung ist uns wichtig, schreiben Sie uns! Anschrift und E-Mail finden Sie unter Kontakt.
(c) Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München