16. März 2020

WORT DES LEBENS . PLUS

Von nst5

Mit dem Herzen sehen

Paulus versteht Glaube als „Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht” (Hebräer 11,1). Wie ist es für mich, über das, was meine Sinne wahrnehmen, hinauszugehen und die tieferen Zusammenhänge und den größeren Sinn zu entdecken, damit aber auch auf äußere „messbare“ Sicherheiten zu verzichten?
Das geht nur bedingt mit unserem Verstand und theologischer Logik – es braucht Mut, unserer inneren Wahrnehmung, dem Sehen unseres Herzens zu trauen.
Gerade Zweifel sind dabei eine Einladung zu innerer Offenheit. Sie fordern heraus, uns nicht an vermeintliche Sicherheiten zu halten oder an das, was die anderen sagen und glauben, sondern wirklich auf unser Herz zu hören. So wie Thomas – der nicht einfach den anderen die Osterbotschaft nachplappern, sondern eine eigene Erfahrung mit Jesus, dem Auferstandenen, machen wollte.

Wie geht es mir mit meinen Zweifeln?

  • „Nicht sehen“ kann dabei zu einer großen Not werden – gerade dann, wenn alle anderen ihre eigene Sicherheit haben und wir sie nicht teilen können.
  • Solche Erfahrungen der „Nacht“, die viele große Mystiker wie Johannes vom Kreuz, Theresa von Avila und auch Chiara Lubich durchleiden mussten, sind wie „Dunkelstufen“ auf dem Weg ins Licht. Wir haben etwas mit dem Herzen gesehen, doch die inneren Augen müssen sich erst an das neue, stärkere Licht gewöhnen und haben zunächst den Eindruck, das Alte und Vertraute, das schon Gesehene und Verstandene, den eigenen Glauben, verloren zu haben.
  • Kenne ich solche Erfahrungen der Nacht? Wo habe ich sie erfahren?
  • Was/wer hilft mir, zwischen innerer und äußerer Erkenntnis zu unterscheiden und dem zu trauen, was ich mit dem Herzen sehe?
  • Wo erfahre ich Bestärkung, wo erlebe ich Einsamkeit und Zweifel?
  • Was/wer hilft mir, die (innere und äußere) Spannung auszuhalten?

Bernhard Deister, Theologe und Psychologe, Pastoralreferent im Bistum Mainz, Krankenhausseelsorger und Geistlicher Begleiter

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, März/April 2020)
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