3. Juni 2020

Überraschende Spuren

Von nst5

Beobachtet von: Ulrike Comes

Selma Lagerlöf beschreibt in einer wundervollen Geschichte, wie das ursprünglich graubraune Rotkehlchen seine roten Brustfedern erhielt: Es sah Jesus am Kreuz leiden und zog eine Dorne aus dessen Stirn, wobei ein Blutstropfen auf seine Federn fiel. Eine englische Legende erzählt Ähnliches: Der kleine Vogel sang dem Gekreuzigten tröstend ins Ohr und kam dabei mit seinem Blut in Berührung. Seither haben alle Rotkehlchen einen Abdruck davon auf ihren Federn.
Wir sehen das Leid der Menschen um uns herum. Wenn wir uns entscheiden nicht zu fliehen, sondern Wege zu finden, auf irgendeine Art bei ihnen zu sein, fühlen wir uns oft hilflos, unfähig, überfordert. Diese Erfahrung wird in uns Spuren hinterlassen. Aber irgendwann werden wir mit Überraschung feststellen, wie wunderschön diese sind.

Foto: (c) Ulrike Comes

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Mai/Juni 2020)
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