Passiert
Aus dem Leben mit dem Wort

Mit einigen Klassenkameraden waren wir in der Pause auf dem Bolzplatz. Einer ging richtig drauf und spielte sehr aggressiv. Bei einem Spielzug rammte er meinen Freund und stieß ihn gegen den Torpfosten. Mein Freund war richtig sauer, stürmte auf ihn los und trat ihn. Die Situation eskalierte. Unsere Lehrerin bemerkte dann, dass es Streit gegeben hatte. Sie wollte wissen, was los war. Mein Freund versuchte, den anderen anzuschwärzen, obwohl sich beide falsch benommen hatten. Ich merkte, dass ich die Wahrheit sagen musste. So schilderte ich meine Sicht. Der Streit wurde geschlichtet und am Ende waren mir beide Jungs dankbar.
Lukas (12)
Bei uns in der Klasse ist ein dunkelhäutiges Mädchen. Wir beide sind sehr verschieden. Deshalb sind wir schon ein paar Mal aneinandergeraten. Einmal saßen wir im Klassenzimmer und machten Hausaufgaben. Mit dabei waren auch drei Jungs, die sich laut unterhielten. Meine Mitschülerin forderte sie auf, leiser zu sein. Daraufhin machte sich einer über sie lustig und erwähnte abfällig ihre Hautfarbe. Obwohl ich mich zuvor nicht gut mit ihr verstanden hatte, sprach ich die Jungs an und sagte ihnen, dass ich ihren Kommentar nicht gut fand. Sie verstummten. Am nächsten Tag brachte sie mir Plätzchen mit.
Klara (14)
Freitagabend. Ich erledigte die Einkäufe im Supermarkt. Zu Hause wartete die Familie. Ich versuchte, mich zu beeilen. Während ich alles ins Auto packte, entdeckte ich unten auf der Ablage des Einkaufswagens zwei Kartons. Ich hatte vergessen, sie an der Kasse auf das Band zu legen. Sofort schossen mir alle möglichen Gedanken durch den Kopf: „Ich sollte schnell zu Hause sein.“ – „Der Supermarkt verdient immer noch genug Geld mit uns.“ – „Sind ja nur Kleinigkeiten.“ Und auch die Fragen: „Wie hätte Jesus wohl gehandelt?“ und „Was würden meine Kinder sagen, wenn sie jetzt hier wären?“ Schnell lief ich zurück zur gleichen Kassiererin. Beim Hinausgehen hörte ich sie sagen: „Was für ein ehrlicher Mann.“ Ich gestehe: Das tat mir gut.
M.G.
Ich besuchte einen Bekannten im Pflegeheim. Er leidet an Demenz und nimmt kaum noch etwas wahr. Oft ist er nicht ansprechbar. Dann bete ich still an seinem Bett für ihn und die vielen Kranken. Heute saß er in seinem Rollstuhl vor seinem Zimmer. Er schien mich nicht wahrzunehmen. Ich blieb dennoch. Später kam eine Pflegerin und gab ihm Apfelmus und Joghurt. Mit großem Appetit hat er beides „verschlungen“, die Augen dabei aber nicht aufgemacht. Die Pflegerin fragte ihn öfters, ob es ihm schmecke. Aber keine Reaktion. Schließlich hat er ein wenig die Augen geöffnet und mit einem undeutlichen Ja geantwortet. Da wussten wir: Er hat doch etwas wahrgenommen, auch wenn er es nicht ausdrücken konnte. Gut, dass ich so lange ausgeharrt hatte.
W.A.
An einem Sonntag schien alles schief zu laufen. Am Ventil eines Heizkörpers tropfte Wasser herunter, das Internet funktionierte nicht und dann hatte ich den Eindruck, dass ich mit einer Eintrittskarte nicht an den Platz kam, der mir vermutlich zugestanden hätte. Ärger, Frust! Dann kam mir wieder dieses Wort in den Sinn: „Du bist ein Gott, der mich sieht“ (Genesis 16,13). Spontan wandte ich mich an ihn: „Du siehst also auch meinen Ärger und meinen Frust. Dann können wir jetzt zu zweit darauf schauen, du und ich.“
A.S.
Von Zeit zu Zeit helfe ich als Ärztin in einem Gefängnis. Bei einer Untersuchung war ich dort einer Frau begegnet, die sehr angerührt war, weil sie sich nicht als Gefangene behandelt fühlte. Bei einer späteren Untersuchung war ich mir bei einem Befund unsicher. So bat ich einen Fachkollegen um Rat. Seine Reaktion half mir nicht weiter. So fragte ich meinen Chef. Er freute sich über meinen „Kampfgeist“, wie er scherzhaft sagte. Schnell wurde deutlich, dass eine dringende OP anstand. Als ich die Patientin danach besuchte, sagte sie: „Frau Doktor, ganz ehrlich, so hat noch nie jemand um mich gekämpft.“
P.B.
Es war spät geworden. Ich hatte mir vorgenommen, früher schlafen zu gehen. Auf meinem Handy kam noch eine Botschaft an. Entgegen meiner Absicht schaute ich doch nach und las: „Bist du noch wach?” Ich rief zurück: „Unser 89-jähriger Vater ist seit vier Stunden verschwunden. Mein Bruder und ich haben schon das ganze Dorf und die Umgebung abgesucht, aber er ist nirgendwo zu finden. Ich weiß nicht mehr, was wir tun können.“ Ein verzweifelter Hilfeschrei. Ich zögerte nicht: „Wir helfen euch beim Suchen!“ – „Was? Das würdet ihr tun? Ich glaube, wir waren schon an allen möglichen Ecken. Ich wollte das Ganze einfach nur mit jemandem teilen.“ – „Okay. Dann bete ich jetzt für deinen Vater!“ Zwanzig Minuten später klingelte das Telefon wieder: „Wir haben ihn gefunden. Er war im Nachbardorf angekommen. Da hat uns jemand Bescheid gegeben. Danke für dein Gebet!“
M.F.
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Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, Juli/August 2023.
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