Gott bei der Arbeit zuschauen
„Mit dem Reich Gottes ist es so …”
„Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mann Samen auf seinen Acker sät; dann schläft er und steht wieder auf, es wird Nacht und wird Tag, der Samen keimt und wächst“ (Markus 4,26f).
Beim Lesen dieses „Wort des Lebens“ kam mir als Erstes der Gedanke, dass offensichtlich alles Sache Gottes ist. Er sorgt nicht nur dafür, dass der Samen keimt und wächst. Auch den Samen selbst kann nur Gott geben. Es ist ein Wort, das Gelassenheit und Vertrauen vermittelt.
Seit vielen Jahren ist es mein tiefer Wunsch, einen kleinen Beitrag dazu geben zu können, dass das Reich Gottes sichtbar wird. Und das hieße ja, vor allem warten zu können. Im Alltag jedoch packt mich oft Ungeduld und die Überzeugung, dass doch vieles von mir abhängt.
So bin ich immer wieder gefragt, frei zu werden von mir selbst, meinen Vorstellungen, Sorgen und Plänen; dann fällt es mir auch viel leichter, mich für die Mitmenschen zu öffnen. Dieses „Wort des Lebens“ zeigt mir: Wenn ich für das Reich Gottes leben möchte, dann kommt es darauf an, dass ich mir diese innere Freiheit als Basis für alles andere immer wieder schenken lasse. In solchen Momenten spüre ich das Vertrauen in Gott und sein Vertrauen in mich. Ich kann seine Liebe „aussäen“, indem ich ihm unter uns Raum gebe.
Die Erfahrung eigener Niederlagen bleibt nicht aus; Situationen scheinen ausweglos und lassen mich meine Ohnmacht erfahren. Wie sehr schmerzt es immer wieder, so begrenzt zu sein! Die Frage: „Jesus, was würdest du an meiner Stelle jetzt tun?“ führt mich nach und nach zum Kern seiner großen Liebe: mit ihm in Beziehung bleiben, alles in seine Hände legen und mit seiner Liebe auf die anderen zugehen, auch wenn ich oft keine Lösung anbieten kann.
Auf diesem Hintergrund kann ich mit den anderen in meiner Fokolar-Gemeinschaft nicht selten erleben: Gott zeigt uns sein Wirken, und wir dürfen ihm dabei zuschauen.
In letzter Zeit wurden wir etwa mehrfach gefragt, ob wir Menschen in Notsituationen Unterkunft anbieten können. Eine neue Herausforderung für uns, der wir zustimmen konnten, wohlwissend, dass es uns viel abverlangen würde. Manchmal sind wir tatsächlich an unsere Grenzen gestoßen. Wir haben uns immer wieder neu bestärkt und dabei auch aufeinander geachtet. Jetzt stellen wir dankbar fest, wie viele Beziehungen tiefer Geschwisterlichkeit gewachsen sind.
Genauso schön war es, wiederholt zu erfahren, dass genau jene Hilfeleistung, zu der wir keine Kraft mehr hatten, andere ganz selbstverständlich übernommen haben.
Solche vermeintlich kleinen Erlebnisse stärken mein und unser Vertrauen, Gott unsere bescheidenen Mühen auch für die großen Anliegen der Menschheit zu schenken.
Ilse Fehr
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Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, Mai/Juni 2024.
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