13. Juni 2024

Passiert

Von nst5

Aus dem Leben mit dem Wort


Kurzfristig hatte man mich in einen Abitur-Reli-Kurs eingeladen. Thema: Kirche als Ort der Hoffnung. Sie stellten mir ein Dutzend Fragen. Persönlich und erfahrungsbezogen konnte ich antworten. Am Ende noch die Frage: „Wie kommt es, dass Sie trotz der schwierigen Lage der Kirche und all der Skandale so froh und hoffnungsvoll gestimmt sind?“ Wieder versuchte ich, persönlich zu antworten: „Beim Wort Kirche denken sicher viele von euch an ein Bauwerk, die Hierarchie oder für sie fremde Liturgien. All das hat natürlich mit Kirche zu tun. Aber für mich ist Kirche in erster Linie ‚Ereignis‘. Der lebendige Jesus will sich unter uns ereignen. Und das tut er, wenn wir einander lieben.“ Nach dem Unterricht kam eine Schülerin: „Ich bin mir sicher, wir sehen uns wieder!“
W.M.

Zum zweiten Mal hatte ich einen Schüler, der schwere Startbedingungen für sein Leben gehabt hatte, auf einen Kaffee eingeladen. Da er sehr an Musik interessiert war, hatte ich auch einen Musik-Pädagogen dazu gebeten. Schnell ergaben sich ein lebendiger Austausch und neue Perspektiven für den Jugendlichen. Der Lehrer ermutigte den Schüler, den eigenen Talenten zu trauen. Der blühte richtig auf und begann, sich zu öffnen. Dann machten die beiden einen musikalischen Sondierungstermin aus. Als wir nach der Begegnung noch an unseren Fahrrädern standen, schaute der Schüler mich mit glücklichen Augen an und sagte: „Danke! Was du da für mich machst, ist alles andere als selbstverständlich!“ Dann setzte er sich auf sein altes Fahrrad und fuhr davon.
M.W.

Der zweite Jahrestag des Überfalls Russlands auf die Ukraine war gekommen. Ich hatte viele Menschen aus der Ukraine im Herzen und schickte ihnen eine Nachricht. Daraufhin erreichte mich die Sprachnachricht einer Mutter von zwei Kindern. Ihre Stimme klang verweint. Sie erzählte mir von ihrer Mutter und ihrem Bruder, die zwischen den Fronten in der Nähe von Cherson lebten und täglich in Todesgefahr waren. Nachmittags besuchte ich sie. Wir redeten lange. Sie vertraute mir all ihr Leid an. Ich konnte ihr nichts abnehmen, aber ich konnte es an mich heranlassen und mittragen. Als ich wieder ging, sagte sie: „Danke, dass du einfach immer wieder da bist!“
F.M.

Heute Morgen war ein besonderer Augenblick. Ich hatte Jesus gesagt: „Meine Zeit ist deine Zeit.“ Denn ich hatte keine konkreten Aufgaben zu erledigen. Ich ging über den Flur und kam am Zimmer einer dementen Mitschwester vorbei. Vorsichtig schaute ich hinein. „Oh wie schön, dass du kommst. Ich bin so allein. Alle Schwestern sagen, meine Mutter sei schon gestorben, aber ich glaube, dass sie lebt. Was denkst du denn?“ – „Auf jeden Fall lebt sie, bei Jesus. Ihr geht es dort viel besser, das ist Leben in Fülle!“ – „Glaubst du denn, dass sie mich heute Nachmittag besucht?“ – „Ach, weißt du, bei dem Regenwetter geht das doch gar nicht.“ – „Ja da hast du recht! Es ist immer so schön, wenn du kommst! Komm ganz bald wieder!“ – „Versprochen!“
H.W.

Illustration: (c) Frank Ramspott (iStock)

Unsere Tochter hatte sich intensiv auf eine Prüfung vorbereitet. Sie kam weinend nach Hause, weil es nicht gut gelaufen war. Mein Mann und ich beschlossen, dass das Abendessen trotzdem eine richtige Feier werden sollte. Auch ihre Geschwister fanden die Idee gut. Aber wirklich berührend war, als wir anfingen, einander von den Misserfolgen in unserem Leben zu erzählen und wie wir sie überwunden hatten. Unsere Tochter war am Ende des Abends sehr bewegt: „Vielleicht war dieses Scheitern nicht nur für mich notwendig, sondern für die ganze Familie. Ich hätte nie gedacht, dass Misserfolge einem helfen können, zu wachsen und das Leben zu verstehen.“
W.R.

Wenn ich Zeit habe, passe ich auf die beiden kleinen Mädchen eines senegalesischen Paares auf. Vor einigen Wochen habe ich dem Vater eine SMS geschickt, um ihm mitzuteilen, dass ich Sonntagmorgen Zeit hätte. Kurz darauf rief er an: „Wie machst du das? Dein Angebot kam zur richtigen Zeit!” Als ich dann einmal um ein Uhr morgens zu einer Reise aufbrechen musste, fragte ich ihn, ob er mich zum Bahnhof bringen könne. Gern sagte er mir zu: „So kann ich auch etwas für dich tun.“ Rücksichtsvoll blieb er bei mir, bis die anderen der Gruppe eintrafen. Vor einigen Tagen kam das Ehepaar dann, um mir eine Portion Reis und Hühnchen zu bringen, die sie auf ihre Art zubereitet hatten: „Afrikanisches Essen, weil du zu uns gehörst und wir zu dir.“
L.I.

Ich machte eine schwierige Zeit durch, fühlte mich antriebs- und kraftlos. Um meiner Frau eine Freude zu machen, begleitete ich sie zu einer Veranstaltung, die ganz und gar nicht in meinem Interesse lag. Der Referent sprach über einen russischen Theologen. Eine Aussage traf mich: dass alles, was aus Liebe zu einem Menschen geschieht, schöpferisches Potenzial hat. Ich dachte über mein Leben nach, über den Job in der Bank, der mir zu eintönig geworden war, meine Beziehungen zu den Kollegen, die an Karrierismus und Misstrauen krankten. Was bedeutete es für mich, dort kreativ zu sein? Vom nächsten Tag an versuchte ich, mit den Kunden ein zusätzliches Wort, eine zusätzliche Höflichkeit, ein zusätzliches Lächeln einzubringen. Ich interessierte mich für meine Kollegen, erkundigte mich nach ihren Kindern, nach einem Verwandten, von dem ich wusste, dass er krank war … Wo alles grau schien, kam langsam wieder die Sonne heraus.
Z.W.


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Der Artikel oben ist erschienen in der NEUEN STADT, Mai/Juni 2024.
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