10. April 2009

Wort des Lebens – April 2009

Von nst_xy

„Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt.“ (Matthäus, 24,42)

Wie oft kommt es vor, dass wir in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft einfach so dahinleben! Gewiss: Die bessere Zukunft wird kommen – aber vielleicht ganz anders, als wir sie uns ausmalen.
Gott hat die Sehnsucht nach Glück in uns hineingelegt. Allzu oft suchen wir es bei einem Menschen oder in einem Ereignis: in einem bevorstehenden Fest, in der Freizeit, in einer lang ersehnten Begegnung. Wenn diese Momente dann vorbei sind, sind wir trotzdem oft nicht zufrieden. Wir kehren zurück in unseren Alltagstrott, in ein Leben, das uns nicht wirklich überzeugt und sind immer in Erwartung von etwas Größerem.
Einem Moment des Lebens kann niemand ausweichen: Es ist die persönliche Begegnung mit dem Herrn, der kommt. Dies ist die bessere Zukunft, auf die wir unbewusst warten. Schließlich sind wir für das Glück geschaffen. Das volle Glück aber kann uns nur der Herr geben.
Jesus weiß, wie blind wir auf unserer Suche nach dem Glück oft sind. Deshalb mahnt er uns:

„Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt.“

Seid wachsam! Passt auf! Bleibt wach! Vieles in dieser Welt ist ungewiss. Fest steht jedoch, dass wir eines Tages sterben werden. Dann werden wir – so sagt es unser Glaube – Christus gegenübertreten.
Viele Menschen verdrängen den Gedanken an den Tod. Vielleicht haben auch wir Angst vor jenem Augenblick und leben deshalb so, als ob es ihn nicht gäbe. Wir leugnen den Tod, der uns erschaudern lässt, indem wir uns an unsere irdische Existenz klammern. Doch dieser Moment wird kommen; die Ankunft Christi ist gewiss.

„Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt.“

Mit diesem Wort meint Jesus seine Wiederkunft am Jüngsten Tag. Wie er aus der Mitte der Apostel zum Himmel aufgestiegen ist, so wird er wiederkommen.
Aber dieses Wort bezieht sich auch auf sein Kommen am Ende eines jeden Menschenlebens. Wir wissen nicht, ob Christus heute kommt oder morgen oder in einigen Jahren. Deshalb sollen wir wachsam sein – wie jemand, der zwar weiß, dass Einbrecher kommen, aber nicht, wann dies passieren wird.
Wenn wir daran glauben, dass Jesus kommt, dann hat unser Leben auf der Erde etwas Vorläufiges. Das ist aber kein Grund, es gering zu schätzen. Im Gegenteil: Es verdient größte Aufmerksamkeit; denn durch ein entsprechendes Leben bereiten wir uns auf die Begegnung mit Jesus vor.

„Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt.“

Es gilt also, wachsam zu sein. Das Leben ist nicht nur eine friedliche Aneinanderreihung von Augenblicken, es ist auch ein Kampf; ein Kampf vor allem gegen Versuchungen jeder Art: sexuelle Zügellosigkeit, Selbstsucht, Gier, Gewalt. Wenn wir wachsam sind, lassen wir uns nicht so leicht überrumpeln.
Besonders wachsam ist, wer liebt. Wachsamkeit gehört ja zum Wesen der Liebe. Wer liebt, dessen Herz ist in Erwartung des geliebten Menschen. Auch jeder Moment ohne die geliebte Person ist ganz auf sie ausgerichtet.
Nehmen wir zum Beispiel ein frisch verheiratetes Paar: Den Tag über sind sie voneinander getrennt. Doch auch ihre Arbeit in Haushalt und Beruf ist geprägt von ihrer Liebe zueinander. Wenn sie sich am Abend zu Hause einfinden, dann liegt schon in der Begrüßung die ganze Freude des Tages.
Oder nehmen wir eine Mutter, die ihr krankes Kind betreut. Sicher gönnt sie sich zwischendurch ein wenig Ruhe, aber ihr Herz wacht.

Auch Menschen, die Jesus lieben, handeln so. Sie tun alles im Hinblick auf ihn; ihm begegnen sie in den alltäglichen Begebenheiten, in denen sich sein Wille zeigt; ihm werden sie feierlich begegnen an dem Tag, an dem er kommt.
So geschah es vor Jahren in Brasilien: In Santa Maria im Süden des Landes ging eine Begegnung von 250 Jugendlichen zu Ende. Die meisten kamen aus der Stadt Pelotas. Jetzt kehrten sie nach Hause zurück.
Der erste Bus mit 45 Jugendlichen fuhr ab. Unterwegs sangen sie Lieder und waren voller Freude. Die Atmosphäre war geprägt von einer tiefen Liebe zu Jesus. Ein paar Mädchen beteten gemeinsam und baten Gott darum, ihm treu bleiben zu können bis in den Tod. In einer Kurve versagten plötzlich die Bremsen. Der Bus stürzte 50 Meter tief einen Abhang hinunter und überschlug sich dreimal. Sechs Mädchen kamen ums Leben.
Eine der Überlebenden sagte: „Ich hatte den Tod vor Augen, aber ich hatte keine Angst; denn Gott war ganz nah.“ Eine andere: „Als ich – inmitten von Wrackteilen – merkte, dass ich mich bewegen konnte, kniete ich nieder, blickte zum Sternenhimmel hinauf und betete. Gott war da! Er war bei uns.“
Der Vater von Carmen Regina, die den Tod fand, erzählte, dass seine Tochter oft gesagt habe: „Sterben ist etwas Schönes, Vater, weil man dann immer mit Jesus zusammen ist.“

„Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt.“

Die Mädchen von Pelotas waren wachsam, weil sie liebten. Als der Herr kam, gingen sie ihm freudig entgegen.
Chiara Lubich

Erstmals veröffentlicht in: NEUE STADT, Dezember 1978

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, April 2009)
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