10. Oktober 2009

Verantwortung für diese verbesserliche Welt

Von nst_xy

Denkanstöße eines Politikers

Ein Christ ist nicht besser als ein Nichtchrist. Er hat es besser. Das ist der Unterschied. Und ich versuche, so zu leben, dass die Dankbarkeit dafür, dass ich es besser habe, Gestalt gewinnt.

Der Herr liebt diese Welt. Er hat sie uns anvertraut, damit wir sie menschlicher machen. Nicht christlicher, sondern menschlicher. Nicht frömmer, sondern brüderlicher. Nicht religiöser, sondern ein wenig fröhlicher.

Zeit füreinander haben: Das gehört zum Kostbarsten, was wir uns schenken können. Nur so schaffen wir eine Gesellschaft, in der wir selber gerne leben.

„Gehet hin in alle Welt“, das heißt auch: geht in die Welt der Politik, geht in die Welt der Philosophie, geht in die Welt der Medizin, geht in die Welt der Technik, sprecht davon, dass dieser Herr der Welt keine anderen Götter neben sich haben will, auch nicht die Eigengesetzlichkeit dessen, was wir unser Leben nennen, auch nicht die Eigengesetzlichkeit von Technik und Wirtschaft, auch nicht die Eigengesetzlichkeit, dass es in der Politik nun mal so zugehen müsse. Denn es gibt keinen Bereich der Welt, der nicht unter dieser freimachenden Kraft des Wortes Gottes steht, von dem Jesus sagt: ich bin dieses Wort.
Wie kann man ohne die Bergpredigt Politik machen? Wenn man diese Frage stellt, wird man schon zum Schwärmer oder Träumer erklärt, jedenfalls gerät man in den Verdacht, sanftmütig zu sein, was heute offenbar so viel wie politisch untauglich heißt. Wer glaubt, im politischen Geschäft hätten Sanftmut oder auch Barmherzigkeit nichts zu suchen, der hat nicht verstanden, was die Aufgabe der Politik ist.

Christen ist es nicht erlaubt, die Welt so zu lassen, wie sie ist, und zu denken, es werde schon irgendwie funktionieren. Im Neuen Testament steht nicht: Seid getrost, es bleibt alles beim Alten. Sondern da steht: Siehe, ich mache alles neu. Jesus Christus sagt: Ihr seid das Salz der Erde. Das bedeutet doch wohl, christen sollen auf der Erde, also in unserer Gesellschaft, vorangehen: mit dem Frieden-Machen, mit der Gerechtigkeit, mit der Verbesserung der Welt, die im Argen liegt.

Toleranz meint nicht, es mit der eigenen Überzeugung nicht so genau zu nehmen, sondern Toleranz ist das schwere Aushalten und Tragen des anderen, trotz seines anderen Standpunktes, trotz seiner anderen Haltung.

Aufeinander achten, das heißt, einander mitnehmen, füreinander da sein.

Wir dürfen unseren Kindern nicht vorgaukeln, die Welt sei heil. Aber wir sollten in ihnen die Zuversicht wecken, dass die Welt nicht unheilbar ist.

Auszüge aus: Einander achten und aufeinander achten. Hundert Worte von Johannes Rau. Mit einem Vorwort von Helmut Schmidt. Hg. von Dirk Hermann, Verlag Neue Stadt, München 2009. Bestellen

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Oktober 2009)
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