10. Dezember 2009

Ein Preis als Vorschuss

Von nst_xy

Am 10. Dezember erhält Barack Obama den Friedensnobelpreis 2010.

Auszeichnungen werden in der Regel verliehen für erbrachte Leistungen oder für erworbene Verdienste. Bei der Verleihung des diesjährigen Friedensnobelpreises scheint sich – nach einhelliger Meinung der Öffentlichkeit – das Nobelkomitee über diese Regel hinweggesetzt zu haben. Preisträger ist der erst vor einem Jahr gewählte amerikanische Präsident Barack Obama. Er hat zwar einige Aufsehen erregende Ansprachen gehalten, in denen die Friedensidee eine große Rolle spielte, aber geleistet hat er im Sinne dieser Idee noch nichts. Der Preisträger selbst zeigte sich überrascht von der Nachricht seiner Auszeichnung. Er habe den Preis im Grunde gar nicht verdient. In der Tat wird der Friedensnobelpreis verliehen für überragende Leistungen auf dem Gebiet der Friedensförderung und Völkerverständigung. Nelson Mandela und Frederik Willem de Klerk wurden 1993 ausgezeichnet für die Überwindung des Rassentrennungsregimes in Südafrika. Michail Gorbatschow erhielt den Friedensnobelpreis 1990 für die friedliche Überwindung des eisernen Vorhangs.

Der Preis wurde aber auch Persönlichkeiten verliehen, welche Entwicklungen in Gang gesetzt hatten, die zum Zeitpunkt der Preisverleihung noch nicht abgeschlossen waren:

So bekam 1983 der polnische Gewerkschafter Lech Walesa den Friedensnobelpreis zu einer Zeit, da in Polen gerade wegen der Solidarnosc-Bewegung das Kriegsrecht in Kraft war. Und als Willy Brandt 1971 den Friedensnobelpreis erhielt, war die von ihm angestoßene Politik des „Wandels durch Annäherung“ in der Bundesrepublik Deutschland heftig umstritten. Das Nobelpreiskomitee, das Präsident Obama auszeichnete, honorierte damit eine Idee, deren Verwirklichung es unterstützen wollte. Barack Obama muss gesehen werden auf dem Hintergrund der Politik seines Vorgängers George W. Bush. Dieser hatte den Krieg – und zwar auch den Angriffskrieg – als legitimes Mittel der Politik wieder „hoffähig“ gemacht: zur Bekämpfung des Terrorismus sowie zur Durchsetzung der Demokratie.

Barack Obama „erbte“ von seinem Vorgänger beide Kriege und bemüht sich, sie zu beenden. Ob und wann ihm dies gelingen wird, ist noch offen.

Tatsache ist, dass Amerika seit Obamas Amtsantritt international wieder auf multilaterale Gespräche als Mittel der Politik setzt. Dabei sendet Obama unüberhörbare Signale des Friedens aus an alle Konfliktherde in der Welt: Im Nahen Osten engagiert er sich für die Wiederaufnahme des Friedensprozesses zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn; er streckte diplomatische Fühler aus in den Iran und nach Nordkorea, zwei Länder, von denen atomare Gefahr ausgeht; im Weltsicherheitsrat ergriff er Partei für eine atomwaffenfreie Welt; historisch bedeutsam ist seine Rede vom 4. Juni an der Universität in Kairo, in der er dem Islam und den islamischen Völkern Respekt bezeugte.
Präsident Obama hat – so meine ich – deutliche Wegmarken gesetzt in Richtung auf eine Welt des Friedens. Wie viel er von diesen Anstößen während seiner Präsidentschaft wird verwirklichen können, kann heute niemand voraussagen. Die Verleihung des Friedensnobelpreises an Barack Obama kann aber die von ihm gegebenen Anstöße fördern. Dafür spricht die Geschichte solcher Preisverleihungen. In diesem Sinne ist die Auszeichnung Obamas zu begrüßen.
Klaus Purkott

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Dezember 2009)
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