10. März 2010

Tradition Respekt Herzlichkeit

Von nst_xy

Anfang Januar machte sich die Präsidentin der Fokolar-Bewegung, Maria Voce, mit ihrem Ko-Präsidenten Giancarlo Faletti und einer Delegation auf den Weg: Korea, Japan, die Philippinen und Thailand waren die Stationen einer fast zweimonatigen Asien-Reise. Sie wollten in erster Linie die Gemeinschaften der Fokolar-Bewegung vor Ort besuchen, lernten dabei jedoch auch viel über die Völker und Kulturen dieser Länder.

Saubere politische Sprache

Die erste Etappe führt auf die koreanische Halbinsel. Südkorea steckt in drastischen Umbrüchen. Der technische Fortschritt der letzten 20 Jahre brachte einen rasanten Wirtschaftsaufschwung, und das Land hat die Demokratie eingeführt. Trotzdem sind traditionelle Denkweisen noch tief verwurzelt. Das bringt Konfliktpotential mit sich, das politisch wie religiös zu bewältigen ist. Das dichte Programm der Fokolar-Delegation beginnt im Parlament. Seit etwa fünf Jahren treffen sich dort regelmäßig einige Volksvertreter, um die Spiritualität der Geschwisterlichkeit zu vertiefen. Sie gehören sowohl der Regierung wie auch der Opposition an und bemühen sich um eine Politik des gegenseitigen Respekts. Ihrer Initiative „für eine saubere politische Sprache“ haben sich etwa die Hälfte der 299 Volksvertreter angeschlossen; fast 100 lassen ihre Redebeiträge sogar vorab daraufhin prüfen, ob sie einem besseren Miteinander dienen. Die Begegnung mit dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz und sechs weiteren Bischöfen öffnet den Gästen einen Blick auf die Situation der Kirche: Gut 30 Prozent der Bevölkerung sind Christen, 10 Prozent Katholiken, mit etwa 100 000 Taufen pro Jahr. Die Fokolar-Bewegung kam Ende der 60er-Jahre nach Korea. Inzwischen zählt sie etwa 200 000  Angehörige und Freunde. Bei einer zweitägigen Begegnung mit 1500 Multiplikatoren lernen die Gäste viele koreanische Wesenszüge kennen: Fleiß und Einsatz in einer Arbeitswelt, die alles von den Einzelnen fordert; den tief verankerten Wunsch, allem einen Sinn zu geben; der traditionelle Respekt vor Älteren; das Bemühen, Traditionen mit Liebe zu erfüllen; Entschiedenheit im Leben nach dem Evangelium. „Ihr seid viele und habt Werte!“, sagte die Fokolar-Präsidentin zum Abschied. „Deshalb könnt ihr den Blick weiten auf die ganze Gesellschaft! Ihr habt nicht nur Korea, sondern ganz Asien etwas zu geben!“

Für das Wohl der Menschheit

Zweite Station ist Japan, „ein faszinierendes Land mit einer unendlich reichen Kultur und gleichzeitig Vorreiter einer überwältigenden technischen und wirtschaftlichen Entwicklung.“ Mit diesen Worten beschreibt der Apostolische Nuntius Alberto Bottari de Castello den Inselstaat. Beeindruckend die geradezu mustergültige Verkehrsordnung, das geordnete, geschäftige Treiben, das saubere und moderne Stadtbild. Doch dahinter verbergen sich auch menschliche Nöte. Der frenetische Arbeitsrhythmus bedroht die Familien. Auch religiöse Bindungen sind selten. Nach vierhundert Jahren Christentum gibt es weniger als eine halbe Million Christen im Land, bei einer Bevölkerung von 127 Millionen eine verschwindende Minderheit. Das spiegelt sich auch in der Begegnung mit den knapp 400 Freunden der Fokolar-Bewegung wider: In diesem großen Land wollen sie vor allem eines: die Gegenwart Jesu bringen, der überall dort lebt, wo auch nur zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind. Szenenwechsel: die große „Heilige Aula“ in einem  buddhistischen Zentrum Tokios. Hierher hat der Präsident der Rissho Kosei-Kai, einer der größten buddhistischen Laienbewegungen, die Fokolar-Präsidentin eingeladen. Der aktuelle Präsident, Nichiko Niwano, begrüßt Maria Voce zuerst mit über 1000 seiner leitenden Mitglieder und stellt ihr dann 80 jugendliche Leiter vor. Die Begegnungen sind geprägt von dem Wunsch, die bestehende Freundschaft zu vertiefen. Gemeinsam möchte man sich für „das Wohl der Menschheit von morgen“ einsetzen, so Nichiko Niwano. Und Maria Voce unterstreicht, dass es dafür heute Menschen braucht, „die einen Strom der Liebe bringen, die nicht begrenzt denkt, sondern universell.“

Grenzenlose Bereitschaft zu teilen

Eine völlig andere Atmosphäre erwartet die Reisegruppe auf den Philippinen. Das Archipel im Pazifischen Ozean setzt sich aus mehr als 7000 Inseln zusammen; über 80 Prozent der Filipinos sind Katholiken. Die Philippinen sind in gewisser Weise auch die „Wiege“ der Fokolar-Bewegung in Asien. Nachdem Ordensleute die Spiritualität verbreitet hatten, wurden hier vor 45 Jahren die ersten Fokolar-Gemeinschaften auf dem asiatischen Kontinent eröffnet. Diese waren der Ausgangspunkt für Reisen in die anderen Länder Asiens, um die dort entstehenden Gemeinschaften zu stärken. So ist es kaum verwunderlich, dass sich hier auch die erste Modellsiedlung der Fokolar-Bewegung in Asien befindet: Tagaytay. Sie liegt eine gute Autostunde von der Hauptstadt Manila entfernt und beherbergt in diesen Januartagen nicht nur die Delegation aus Rom, sondern auch alle Regionalverantwortlichen der Bewegung in den asiatischen Ländern. Auf dem Programm stehen neben verschiedenen Arbeitstreffen auch Besuche bei den Bewohnern und Einrichtungen   der Modellsiedlung, darunter die „Schule für den interreligiösen Dialog“. Chiara Lubich hatte sie 1982 ins Leben gerufen, und in den vergangen Jahrzehnten haben hier Schulungskurse über die Großen Religionen stattgefunden. Nicht umsonst sind im Laufe der Jahre hier auch zahlreiche soziale Initiativen entstanden. Die Not ist groß, und überall könnte und müsste man noch mehr tun. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb legen Giancarlo Faletti und Maria Voce ihren Freunden auf den Philippinnen vor ihrer Abreise noch eines ans Herz: „Wir können und dürfen nicht tatenlos zusehen. Wir müssen auch konkrete Antworten finden auf die Probleme dieser Gesellschaft. Aber unser Handeln muss immer von einer Wurzel her kommen: der Einheit. Das ist unser spezifischer Beitrag. Wenn wir so leben, wird Jesus unter uns gegenwärtig sein. Er wird uns dann verstehen lassen, wo wir anpacken sollen!“

Vertiefung im Dialog

Die letzte Etappe führt nach Thailand. In dem Königreich in Südostasien treffen die Gäste aus Europa nicht nur die thailändischen Mitglieder der Bewegung, sondern auch die aus 15 weiteren Ländern Südostasiens: Von Indien bis Indonesien über Singapur und Kambodscha sind über 850 Christen, Hindu und Buddhisten zu „einem großen Familienfest“ in Bangkok eingetroffen. Doch zunächst taucht die Reisegruppe in eine ganz andere Welt ein: Etwa eine Stunde von Chiang Mai, der größten und kulturell wichtigsten Stadt Nordthailands, nehmen Maria Voce und ihre Begleiter am vierten christlich-buddhistischen Symposium teil. Bereits seit 2004 richtet die Fokolar-Bewegung diese Symposien zur Vertiefung des Dialogs zwischen Buddhisten und Christen aus. Dieses Mal geht es um die großen Herausforderungen der Globalisierung. Alle Themen – die Situation der Familie, die Wirtschaft, der Dialog – werden jeweils aus christlicher wie aus buddhistischer Sicht vertieft. Besonders gespannt erwarten die buddhistischen Teilnehmer den Beitrag der FokolarPräsidentin. Sie soll über das Leid im Leben der Menschen sprechen. Was sie dann über „Jesus in seiner Verlassenheit“, einen Schwerpunkt der Fokolar-Spiritualität, sagt, ergänzt der Mönch Thongrattana Thaworn mit einem Bericht über seine erste Begegnung mit der Gründerin der Fokolar-Bewegung: „Ich hatte damals nichts vom Christentum verstanden und hatte Angst, eine Kirche zu betreten, weil ich den Anblick des Gekreuzigten nicht ertragen konnte. Chiara Lubich hat mir die Weisheit der Einsicht geschenkt. Durch sie habe ich verstanden, dass das Kreuz das Maß der Liebe Jesu zu den Menschen aufzeigt.“

Gabi Ballweg

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, März 2010)
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