12. Juli 2010

Wie krank ist der Euro?

Von nst02

Mit hektischen Maßnahmen suchen die Euro-Regierungen die gemeinsame Währung zu retten. Die Therapie kommt spät.

Im Jahre 2002 wurde der Euro als Währung der Europäischen Union eingeführt. Bis heute haben von den 27 Mitgliedsstaaten zwar nur 16 den Euro ein- geführt, aber es bleibt eine Zielvorstellung, dass sämtliche EU-Staaten diesen Schritt vollziehen, der als bedeutende Etappe auf dem Weg zur wirtschaftlichen Einigung Europas gilt. Zwei Grundsätze sollten für die Stabilität der neuen Währung sorgen: eine solide Haushaltsführung der beteiligten Staaten und die 1994 geschaffene Europäische Zentralbank (EZB) mit einer von der Politik unabhängigen Währungspolitik.

Solche Grundsätze einzuhalten wird jedoch schwierig, wenn unterschiedliche politische Traditionen unter einen Hut gebracht werden müssen.

So haben es viele Euro-Staaten mit der soliden Haushaltsführung nicht so genau genommen, weil den Regierungen kurzfristige politische Ziele wichtiger schienen als die Stabilität der gemeinsamen Währung. Außerdem wurde die Stabilität des Euro schon von Anfang an dadurch belastet, dass Länder wie Griechenland, Belgien und Italien schon bei der Aufnahme in den Euro-Raum hoch verschuldet waren. Deutschland war es zwar gelungen, zwei wichtige Stabilitätskriterien festzuschreiben, nämlich dass die Gesamtverschuldung eines Staates 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes nicht übersteigen und die jährliche Neuverschuldung drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes nicht überschreiten darf. Doch ausgerechnet Deutschland selbst hat – mit Frankreichs Hilfe – dazu beigetragen, diese Stabilitätskriterien aufzuweichen. Andere Euro-Länder folgten diesem schlechten Beispiel nur zu gern. Erst als mit Griechenland ein Euro-Staat praktisch zahlungsunfähig wurde, kam zum Vorschein, auf wie schwachen Füßen der Euro stand. Dass es so weit kommen konnte, lag auch daran, dass die EU praktisch keine Möglichkeit hatte, die wirtschaftliche Situation eines Mitgliedsstaates zu überprüfen. Die EU-Kommis- sion musste sich mit den Angaben der einzelnen Regierungen begnügen. Als Griechenlands zu offensichtlich frisierte Zahlen schließlich aufflogen, war der Euro bereits im freien Fall. Die Länder der Euro-Zone mussten einen finanziellen „Schutzschirm“ beschließen: zunächst nur für Griechenland, dann aber, als sich auch Portugal, Spanien und Italien „griechischen Verhältnissen“ zu nähern begannen, für den gesamten Euro-Raum. Aus einem 750-Milliarden-Fonds sollen hoch verschuldete Euro-Staaten Kredite bekommen, wenn sie sich auf den Finanzmärkten kein Geld mehr besorgen können.

Inzwischen haben die Finanzminister der EU auch dem Wunsch der Kommission zugestimmt, bereits frühzeitig in die Haushaltspläne der einzelnen Staaten Einsicht zu bekommen.

Gegen eine solche Kontrollfunktion hatten sich die Mitgliedsstaaten lange gesperrt, weil das Haushaltsrecht eine der wichtigsten Zuständigkeiten der nationalen Parlamente darstellt. Ob alle diese Maßnahmen das Vertrauen der Finanzwelt in den Euro wieder stärken und so der freie Fall des Eurokurses aufgehalten wird, lässt sich derzeit nicht sagen. Der Euro ist schwer krank, und diejenigen, die sich um sein Wohlergehen kümmern sollten, haben – so meine ich – bereits viel zu lange gewartet. Ob die jetzt hektisch eingeleitete Therapie anschlägt, wird sich erst in einigen Monaten zeigen. Vielleicht sind auch noch einschneidendere Operationen erforderlich, wie das Entfernen einzelner Mitglieder aus dem Euro- Raum. Sterben lassen sollte man den Patienten Euro auf keinen Fall; es könnte das Ende des europäischen Einigungsprozesses bedeuten. Und das wäre eine wirkliche Katastrophe!

Klaus Purkott

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Juli/August 2010)
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