15. September 2010

Ganz oder gar nicht!

Von nst_xy

Tag für Tag begegnet Ulrike Zans unterschiedlichsten Menschen, denen sie einen „Lebensraum“ verkaufen will. Sie hat jede Menge Freude dabei.

Im Bewusstsein vieler Menschen rangiert der Beruf des Maklers direkt hinter dem eines Gangsters. Der Leverkusenerin Ulrike Zans ist das bewusst:

„Die Leute gehen innerlich einen Schritt zurück, wenn sie hören, was ich mache.“ Wie vereinbart sie dieses Metier mit ihrer Identität als Christin?

Vor gut zehn Jahren fand sich die lebhafte Hausfrau und Mutter von zwei heranwachsenden Söhnen auf Grund einer Krankheit ihres Mannes plötzlich in der Situation, allein für das Einkommen der Familie sorgen zu müssen. Wie bisher im Schuhgeschäft einer Verwandten auszuhelfen, reichte da nicht mehr aus, auch wenn es ihr Freude machte: Nicht selten gingen die Kunden mit zwei Paar Schuhen wieder hinaus – und waren glücklich dabei.

Zwanzig Jahre zuvor hatte die Versicherungskauffrau beim Hausbau für die eigene Familie in jeder Hinsicht viel gelernt. So kam es zur Idee zu makeln. Ein befreundeter Bauunternehmer riet ihr, bei einem Immobilienmakler zu hospitieren. Die Tätigkeit lag ihr, sie hatte Erfolg und: Es machte sogar Spaß!

Obwohl eine Kollegin ihr geraten hatte, einen Vertrag zu machen, vertraute sie auf die Ehrlichkeit ihres Chefs. Doch sie holte sich ein blaues Auge: Von den ihr zustehenden 25 Prozent Provision sah sie nichts. Daraus hat sie gelernt. Sich ausnutzen lassen, kommt nicht mehr in Frage.

„Natürlich lebe ich vom Erlös meiner Arbeit, nur soll Geld nicht alles sein“, betont sie. In ihrem Leben als Christin und in ihrer Arbeit kann sie nicht mit unterschiedlichen Maßstäben messen: Beides geht nur ganz oder gar nicht.

Mit einigen Frauen am Ort versuchte sie, eine Vertriebsstruktur zur Vermittlung von Versicherungen aufzubauen. Als sie merkte, dass bei den anderen nicht die Absicht bestand, sauber zu arbeiten, löste sie ihr Werk wieder auf. Erst danach kam es zur Idee der eigenen Firma. „Ich habe aus der Not heraus angefangen und viel gelernt.“

Mit der Kollegin, die sie damals gewarnt hatte, arbeitet sie seit zehn Jahren zusammen: In getrennten Firmen nehmen beide alle Objekte, die sie bekommen können; was sie verkaufen, wird geteilt. Versprochen untereinander ist allein Ehrlichkeit.

Als ein Kunde einmal fast ein Jahr weg war und erst danach sein Honorar bezahlt hat, kam die Kollegin eines Tages mit dem Geld an, – Ulrike Zans hätte den Vorgang gar nicht mitbekommen.

Im November 2008 erhielt sie die Diagnose Krebs, eine besonders aggressive Art. Wegen einer Gesetzesänderung zum 1. Januar 2009 bekam sie während ihres krankheitsbedingten Ausfalls kein Geld, obwohl sie Vorsorge getroffen hatte. „In dieser Zeit“, – so Ulrike Zans – „hat die Kollegin gearbeitet und geteilt“. Sie sagte ihr auch, sie solle in dieser Situation nur an sich denken. Im Januar 2010 erkrankte dann der Mann der Kollegin sehr schwer und starb im Sommer. In jenen Wochen arbeitete und teilte Ulrike Zans. „Wir sind immer auf unserer Geschäftsbasis geblieben, in enger, klarer Beziehung“, freut sie sich.

Ulrike Zans weiß, verkaufen ist ihre Begabung, aber auch eine Gefahr. Mit sechs, sieben Fragen kann sie herausbekommen, über wie viel Geld ein Kunde verfügt. Trotz ihres Verkaufstalents will sie niemandem etwas andrehen. Behutsam lässt sie den Kunden von seiner Situation erzählen und kann dann auch sagen: „Ich habe jetzt nicht das Passende, aber ich kann mich mal beim Kollegen erkundigen.“

In einer benachbarten Kleinstadt betreut die Mittfünfzigerin eine Anlage mit einigen hundert Wohnungen. Da gibt es viel Fluktuation. Wenn sie neue Mieter finden will, müssen die Wohnungen gut hergerichtet sein. Sie hat deshalb mit dem Hausmeister vor Ort zu tun, der jeden Tag die Ohren voll gejammert bekommt, mit der Eigentümergesellschaft, die für die Renovierung zuständig ist und jeden Vertrag freigeben muss, und mit der Hausverwaltung in Köln, die die Dinge umzusetzen hat. Eigentlich ist jede der beteiligten Personen in Ordnung, stellte Ulrike Zans fest, „aber sie reden aneinander vorbei.“ Wen überrascht, dass es dauernd knallt?

Ulrike Zans gewöhnte sich an, sich bei jedem Kontakt – auch per Mail – erst mit einem persönlichen Wort an die Person zu wenden: „Hallo, Frau Y., wie geht es Ihnen?“ Der Hausmeister bekommt Gelegenheit, Dampf abzulassen, und wenn sie ihm dann vorschlägt, mit Frau Z. zu sprechen, geht er gern darauf ein. Einmal brachte sie einer Beteiligten Schokolade mit. Die war sofort misstrauisch: „Was kann ich für Sie tun?“ – „Nichts, ich wollte nur mal Danke sagen.“ – „Und was wollen Sie jetzt?“ – „Nichts.“

„Mittlerweile können sie schon ganz gut miteinander,“ erzählt Ulrike Zans, „und wenn sie untereinander Stress haben, rufen sie bei mir an.“ Sie beginnen, sich gegenseitig zu achten. Dem Unternehmen und den verschiedenen Parteien geht es gut dabei, und für die Maklerin ist es einfach schön.

Freunde bemühten sich seit zehn Jahren um die Veräußerung eines 200 km entfernten Grundstücks. Langsam lagen die Nerven blank, und der Verkauf sollte endlich klappen. Sie beauftragten Frau Zans. Auf dem Grundstück stand früher eine Tankstelle. Der Boden war 15 Meter tief abgetragen worden, es lagen keinerlei Bodenverschmutzungen vor. Die Lage war passabel, private oder kommerzielle Nutzung war möglich. Es brauchte allerlei Recherchen, bis die Maklerin verstand, warum sich keine seriösen Käufer fanden: Gerüchte über Kontaminationen waren im Umlauf. Es stellte sich heraus, dass der Stadt lauter gute Expertisen vorlagen, die sie jedoch nicht weitergegeben hatte. Als verschiedene Interessenten das Grundstück weit unter Preis kaufen wollten und ihre entnervten Freunde schon darauf eingehen wollten, hielt Frau Zans sie heftig davon ab: „Das ist wie beim Poker. Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. So etwas muss man knochenhart aussitzen.“ Nach vier Monaten ist das Grundstück verkauft, zum fairen Preis.

Bei einer Hausbesichtigung mäkelte jemand vom ersten Moment an, vermutlich, um den Preis zu drücken. Frau Zans brach die Besichtigung ab: Das kann sie dem Eigentümer nicht zumuten! Nachher setzte sie sich mit dem Besitzer hin, fragte, wie viel Luft er nach unten hätte. Sie sucht die ehrliche Beziehung zu jedem. Makeln, das heißt, zwischen zwei Leuten, die ein Interesse haben, Verbindung schaffen.

Auch der äußere Auftritt spricht. „Durch Kleidung kann ich sofort Abstand schaffen“, weiß die attraktive Frau. Aber es geht ihr nicht um Eigenwirkung, sondern um Respekt vor dem anderen.

„Ich möchte immer so gehen, dass es für das Gegenüber passt. Ich möchte mich wohl fühlen, aber der andere soll das auch.“

Nach etwa 30 bis 35 Kontakten und 15 bis 20 Besichtigungen kommt es vielleicht zu einem Abschluss. „Da rennen Sie die ganze Zeit umsonst“, bekommt Ulrike Zans manchmal zu hören. Sie sieht das anders: „Das ist für mich keine verschenkte Zeit, das sind lauter lebendige Begegnungen.“

Dietlinde Assmus

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, September 2010)
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