17. Dezember 2010

Wenn Eltern peinlich werden

Von nst_xy

Pubertät: Warum können wir unseren Kindern nicht einfach Freunde sein?

In unserer Familie greift die Pubertät um sich. Diese Lebensphase formt die Persönlichkeit der Kinder, bringt neue Sensibilitäten hervor und trägt eine neue Geräuschkulisse ins Haus: In welches Zimmer wir auch kommen, irgendein lautes Gerät läuft immer und zehrt an unseren Nerven. Als Eltern haben wir das Gefühl, unsere Kinder leben in einer völlig fremden Welt!

Ihr langsamer Schlurf schritt und abfälliges Sticheln bis zum Wutgeschrei der jüngeren Geschwister provozieren uns bis zur Unerträglichkeit. Dann in die Rolle des verständnisvollen Freundes zu schlüpfen, gemeinsam Spaß zu haben, unglücklich zu sein und anderen die Schuld für empfundene Ungerechtigkeiten zu geben, würde uns die Last der elterlichen Verantwortung abnehmen. Aber letztlich wollen das die Kinder gar nicht: Sie drängen uns mit ihren Provokationen, Stellung zu beziehen und unsere Rolle im Familiengefüge wahrzunehmen.

Neulich machte mein Mann beim Frühstück eine ulkige Bemerkung. Unser Kind wies ihn zurecht, er sei überhaupt nicht witzig, obwohl es den Spruch bei einem Freund sicher lustig gefunden hätte. Aber Eltern sind halt eher peinlich. Kleine Regelüberschreitungen finden Heranwachsende bei sich selbst okay, bei anderen Familienmitgliedern fordern sie dieselben Regeln unerbittlich ein oder ahnden sie mit verletzenden Worten.

Darüber sollten Eltern nicht schweigend hinwegsehen: Ein klares Wort bewirkt, dass sich alle in der Familie entfalten können. Natürlich kommt es dabei auch ‘mal zu unversöhnlichen Auseinandersetzungen und Tränen. Ein zu starkes Wort, ein falscher Moment, in dem die Kinder eher Nähe als Distanz gebraucht hätten, bringt alle aus dem Lot. Wenn wir jedoch die Eltern-Rolle akzeptieren, können wir die Herausforderung leichter annehmen, zum Wohl der Kinder zu handeln. Als Freund wären wir auf ihrer Seite, würden ihnen aber keine klare Orientierung geben.

Trotz allem haben wir große Freude an unseren heranwachsenden Kindern! Insgeheim beneiden wir sie um ihr Lebensgefühl, das sich in schnellen, witzigen Antworten, Gekicher und Gekreische zeigt, und erahnen: Wir waren genauso!

Rita Meyer

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Dezember 2010)
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