Keine Mauern gegen Flüchtlinge
An die EU-Innenminister
Sehr geehrte Damen und Herren,
immer wieder versuchen Afrikaner, dem Krieg in Libyen zu entfliehen; geraten hoffnungslos überfüllte Boote in Seenot; spielen sich an der Küste von Lampedusa dramatische Szenen ab, wenn völlig entkräftete Überlebende die kleine italienische Insel erreichen. Geben wir ihnen eine Chance!
Es sind Tunesier, Algerier, Ägypter, die unter der unsicheren Übergangssituation ihrer Länder leiden. Andere stammen aus Eritrea, Somalia, Sudan, Tschad, Nigeria und haben eine lange Odyssee hinter sich. Aus Krisengebieten geflohen, wurden sie vom Gaddafi-Regime abgefangen und in menschenrechtswidrige Lager gesperrt. Einige von Ihnen hatten das offenbar mit dem Diktator vereinbart.
Für die unsichere Überfahrt haben diese Menschen in ihrer Verzweiflung Unsummen bezahlt. Sie stecken in der Zwickmühle: zwischen dem langen Rückweg in eine Heimat, wo sie nicht überleben können, und der gefahrvollen Reise nach Europa, wo sie nicht willkommen sind.
Kürzlich sollen 70 in Seenot geratene Menschen gestorben sein, weil Kriegsschiffe ihnen die Hilfe verweigerten. Eine schockierende Nachricht: Wo Mitmenschlichkeit aufgegeben und Leben so wenig geachtet wird, geht die Abschottung Europas eindeutig zu weit!
Viele von Ihnen haben Ihren italienischen Kollegen mit dem Problem alleingelassen. Mag sein, dass Italien die bisherige Zahl der Flüchtlinge problemlos aufnehmen kann. Angesichts der Nationalisierungstendenzen in Ländern wie den Niederlanden, Dänemark und Finnland ist die mangelnde Solidarität jedoch ein falsches Signal. Damit fühlen sich die Rechtspopulisten in ihrer Engstirnigkeit doch nur bestätigt.
Sie erwägen, einen Massenansturm zu verhindern, indem Sie längst abgeschaffte Grenzkontrollen wieder einführen. Zur Abschreckung, heißt es: Wenn wir die Flüchtlinge aufnehmen, werden immer mehr nachkommen, so die Argumentation. Die Zahlen jedoch zeigen, dass bis Mitte Mai nicht einmal 40.000 Flüchtlinge versucht hatten, europäische Küsten zu erreichen. Von einem Massenansturm kann also keine Rede sein. Der Internationalen Organisation für Migration in Genf zufolge haben sich rund 100.000 nach Algerien, Niger, Tschad und Sudan
aufgemacht und etwa 700.000 nach Tunesien und Ägypten. Wenn Sie die Zahlen vergleichen, scheint die Angst um die EU-Grenzen dann nicht ein bisschen übertrieben?
Wir wünschen uns, dass Sie Flüchtlingen in Not eine Chance geben! Unterstützen Sie den Demokratisierungsprozess in Nordafrika, indem Sie sich untereinander einigen, wer wie viele Flüchtlinge aufnimmt. Überlassen Sie sie nicht ihrem Schicksal, sondern ermöglichen Sie ihnen faire Asylverfahren!
Wir wünschen uns, dass sich die EU-Länder dafür einsetzen, die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern zu verbessern; das Bildungs-und Gesundheitswesen zu stärken; dass sie darauf achten, dass finanzielle Unterstützung nicht zum Waffenkauf missbraucht wird, bei korrupten Unternehmen landet oder in den Taschen von Regierungsmitgliedern versickert.
In Europa sind Arbeitslosigkeit, Krankheit und Armut wesentlich kleinere Probleme als in Afrika. Hier müssen die wenigsten täglich um Wasser, erschwingliche Nahrungsmittel oder die medizinische Grundversorgung kämpfen. Europa kann sich daher nicht auf dem Wohlstand ausruhen, ihn zugleich aber einem Großteil der Menschheit verweigern. Es ist Zeit, dass wir den Menschen helfen, denen es schlechter geht! Es ist Zeit, uns mit Afrika zu solidarisieren, ohne es von uns abhängig zu machen!
Mit freundlichen Grüßen
Clemens Behr
mit der ganzen Redaktion der NEUEN STADT
Unser Offener Brief richtet sich
an die Innenministern der 27 EU-Staaten. Beim EU-Gipfel am 24. Juni soll eine Reform der Grenzkontrollen beschlossen werden.
(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Juni 2011)
Ihre Meinung ist uns wichtig, schreiben Sie uns! Anschrift und Email finden Sie unter Kontakt.
© Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt, München
Wie freue ich mich über diesen offenen Brief in der Neuen Stadt!
Mit dem am 20. Juni vorgestellten UNHCR – Bericht, der mit Zahlenmaterial belegt, wie wenige der Flüchtlinge weltweit überhaupt in Europa sind, könnte man noch weiter argumentieren.
Und mir gefallen die konkreten Vorschläge bzw. Forderungen in Eurem offenen Brief. Sehr gut!
Lieber Herr Bahr und das ganze Redaktionsteam!
Danke, dass Sie diesen Brief formuliert haben! So kann ich mich einfach den Unterzeichnern anschließen, anstatt Tag und Nacht zu überlegen, was wir tun sollen. Mein Beruf ist das Gebet und ich baue auf dieses unsichtbare Tun, vielleicht bewirkt es auch einfach, dass die Not mir keine Ruhe lässt und ein Brief wie der Ihre mir aus dem Herzen spricht. Solange ein Mensch leidet, leiden wir alle mit und scheinen dabei so hilflos. Wenigstens sprechen wir darüber; die Liebe fließt aus vielen Quellen, wird vielleicht gemeinsam ein Strom daraus, der die Dämme der Angst und Unsicherheit brechen kann.
Dank und Segen! Sr. Mirjam
Ich bin zutiefst betroffen über die Art und Weise, wie Europa mit Flüchtlingen aus NOrdafrika umgeht.Bei uns in Österreich werden zeitgleich auch die Gelder für Entwicklungszusammenarbeit gekürzt, trotz aller Mahnungen der BIKO und anderer mit der Thematik gut vertrauten NGO’s.
Diese Petition ist ein winziger Versuch, etwas gegen zu steuern. Für diese MÖglichkeit bin ich dankbar. Es bleibt die Bitte um Gottes Geist für unseren Kontinent, der sich, wenn es passt, doch ganz gerne noch als christlich bezeichnet.
Vielen Dank für diese Aktion und viel Segen für alle Weiterarbeit in dieser Richtung. Sr. M: Andreas
Ich hatte das Glück, Afrika während drei längerer und einem kürzeren Aufenthalt erleben zu dürfen. Ich glaube fest daran, dass es die Menschen dort, wo unsere menschlichen Vorfahren entstanden sind, auch schaffen können, ihre Probleme selbst zu lösen, aber nicht, wenn wir als Industrienationen ihnen unsere Art zu Leben und zu denken aufzwingen. Für mich wäre die beste Hilfe, den Menschen Bildungsmöglichkeiten zu bieten, medizinische und menschliche Hilfe, und das so, dass sie sich ihrer menschlichen Würde bewusst bleiben oder werden. Besonders die Frauen habe ich als einerseits stark, andererseits als hilflos erlebt. Wenn in einem Land Krieg ist, wer hört zuerst auf? Wenn Menschen flüchten müssen, wer teilt sein Haus, seine Wohnung, seine Ressourcen, sein Land mit ihnen, und wie lang? Ich hoffe, dass das Thema der Asylverfahren von dieser anderen Sichtweise angegangen wird. Natürlich sollen wir Flüchtlinge aufnehmen, aber dann müssen sie auch bei und die Lebenschancen bekommen, die jeder von uns hat, und nicht dauernd fürchten müssen, irgendwo auf der Strecke zu bleiben. Und Bildung wäre meiner Ansicht nach der einzige Weg, ihnen nachhaltig zu helfen, denn wer lesen, schreiben und rechnen kann, wer die Natur und seine Mitmenschen als Geschwister sieht, wird keinen Krieg führen und niemanden aus seinem Land vertreiben wollen.
Ich unterstütze die Petition.
Ich beginne- und wer macht weiter?
Mein afrikanisches Patenkind soll in eine gute Zukunft gehen. In seinem Heimatland, mit seiner Familie, später mit seinen eigenen Kindern. Amen.
Wirklich Super! Gefaellt mir! Wo ist der Like Button fuer Facebook?