Kritische Töne und Meinungsverschiedenheiten

Was können wir unseren Kindern zumuten?

Bitte nicht vor den Kindern!” Den Satz fand ich als Kind immer schrecklich. Stritten meine Eltern oder übten an jemandem Kritik, war das für meine „Kinderohren” tabu. Dabei spürte ich, dass etwas nicht stimmte. Ich behaupte sogar, dass Kinder viel sensibler darin sind, Unstimmigkeiten und eine gespannte Atmosphäre wahrzunehmen als Erwachsene. Ich blieb damals mit diesem Gefühl allein. Es gab kein Gespräch darüber, keine Lösung, keine Versöhnung. „Da ist doch nichts”, wurde ich vertröstet, oder: „Darum musst du dich nicht kümmern!” Meinem Gefühl war offenbar nicht zu trauen.

Mit meinen Kindern wollte ich es anders machen. Es gehört zum Zusammenleben, nicht immer einer Meinung zu sein, Konflikte auszutragen, die Dinge und Menschen zu hinterfragen und zu kritisieren. Wir können unseren Kindern durchaus zumuten, unsere Schwächen und Fehler mitzubekommen, und ihnen unsere Ansichten anvertrauen. Vielleicht ist dies sogar der Weg, um zu lernen, mit Konflikten umzugehen.

Worauf wir als christliche Familie allerdings Wert legen, ist, WIE wir mit anderen Meinungen umgehen und was wir aus den Auseinandersetzungen machen: Auch bei Problemen und im Streit die Haltung der Liebe bewahren, nicht dabei stehen bleiben, sondern miteinander weitergehen, das ist eine große Herausforderung!

Im Beisein unserer Kinder sprechen wir offen und ehrlich an, wenn uns nicht gefällt, was jemand sagt oder wie er sich verhält, aber es wird niemand verspottet oder ausgelacht. Wir bemühen uns, den anderen zu verstehen, mit dem Herzen zu sehen, das Gute in ihm zu entdecken, schließlich Lösungen zu finden, wie wir ihm begegnen und zu einer versöhnlichen Haltung kommen können: Nicht so tun, als wäre nichts, sondern mit der Verschiedenartigkeit umgehen lernen, ohne sich zu verletzen. Und nicht selten erleben wir: Das gelingt unseren Kindern viel besser als uns.
Petra Fuchs

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, September 2011)
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