25. September 2011

Preiswürdig

Von nst_xy

An Papst Shenouda III. von Alexandrien

Eure Heiligkeit,
viele Augsburger hatten sich gefragt, wem die Jury den Preis „Augsburger Friedensfest” wohl zuerkennen würde, der in diesem Jahr zum zehnten Mal vergeben wird. Als am 8. August das Geheimnis gelüftet und Ihr Name genannt wurde, war es zunächst einen Moment lang still im Goldenen Saal der Stadt Augsburg. Dann aber brandete Beifall auf.

Als der evangelische Regionalbischof Michael Grabow die Entscheidung der Jury begründete, wurde schnell deutlich, dass man kaum einen besseren Preisträger hätte finden können!

Der Augsburger Friedenspreis will die Leistung von Persönlichkeiten würdigen, die sich in herausragender Weise um das Zusammenleben der Konfessionen verdient gemacht haben. Das haben Sie in vielerlei Hinsicht getan.

Zuallererst unter den orthodoxen Kirchen: Sie suchten schon 1972 das Gespräch mit dem Patriarchen von Konstantinopel; ein geschichtlicher Meilenstein nach 1500 Jahren Kirchentrennung. Der Dialog weitete sich auf andere orthodoxe Kirchen aus.

Sie haben die koptische Kirche, der Sie seit fast vierzig Jahren vorstehen, für die weltweite Ökumene auch mit anderen Kirchen geöffnet. Sie haben mitgeholfen, ein bis dahin trennendes Verständnis zwischen Koptisch-Orthodoxer und Römisch-Katholischer Kirche vom Glauben an Jesus Christus als Gott und Mensch zu überwinden. Es ist mit Ihr Verdienst, dass die Koptisch-Orthodoxe Kirche Mitglied im Ökumenischen Rat der Kirchen geworden ist; von 1991 bis 1998 waren Sie dessen Präsident.

Mit der Wahl Ihrer Person gibt die Jury des Augsburger Friedenspreis ein Signal: Denn als Repräsentant der christlichen Minderheit im islamisch geprägten Ägypten liegt Ihnen ein friedliches und versöhntes Miteinander der Religionen genauso am Herzen wie die Ökumene.

Wir bedauern es, dass sich die Lage der Koptischen Kirche mit der Anfang des Jahres begonnenen politischen Revolution in Ihrem Land nicht gebessert hat. Immer wieder berichten die Medien, dass Kopten und ihre Kirchen Opfer von Übergriffen und Anschlägen extremistischer Gruppen werden. Ihr entschiedenes Auftreten und Ihr Aufruf zu Frieden und Versöhnung hat schon so manches Mal die aufgewühlte Stimmung beruhigen können. Nicht zuletzt deshalb konnten bei den Demonstrationen auf dem Tahrirplatz in Kairo Christen und Muslime friedlich nebeneinander teilnehmen.

Ihr Engagement zielt auch auf die Gesellschaft: Weit vorausschauend haben Sie sich für den Aufbau eines modernen Erziehungs- und Bildungswesens in Ägypten eingesetzt, das auf gegenseitiges Lernen und eine friedliche Verständigung zwischen Menschen unterschiedlicher Überzeugungen setzt.

Als Triebfeder Ihres Einsatzes für Ökumene und interreligiöse Verständigung hat Michael Grabow Ihre Hoffnung auf eine Einheit der Christenheit und ein religionsübergreifendes, menschenfreundliches Miteinander bezeichnet. Diese Hoffnung teilen wir und viele unserer Leserinnen und Leser mit Ihnen! So wie Sie sind auch wir überzeugt, dass Einigung, Frieden ein Prozess ist; ein Weg, der sich nicht in gemeinsamen Dokumenten und Erklärungen erschöpft, sondern der hinter den Kulissen mühsam gegangen werden muss von Menschen, die sich tagtäglich in ihrer Unterschiedlichkeit begegnen.

Wir beglückwünschen Sie ganz herzlich als künftigen Träger des Augsburger Friedenspreises und fühlen uns mit Ihnen auf diesem Weg verbunden!

Mit freundlichen Grüßen,
Clemens Behr
mit der ganzen Redaktion der NEUEN STADT

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, September 2011)
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