22. Oktober 2011

Wort des Lebens – Oktober 2011

Von nst_xy

“Folge mir nach!” (Mt 9,9)

Als Jesus Kafarnaum verließ, sah er einen Mann namens Matthäus an der Zollstelle sitzen. Matthäus übte einen Beruf aus, der ihn bei den Leuten unbeliebt machte. Sie zählten ihn zu den Wucherern und Betrügern, die sich auf Kosten anderer bereicherten. Die Schriftgelehrten und Pharisäer stellten ihn auf eine Stufe mit öffentlichen Sündern und warfen Jesus deshalb auch vor, ein Freund der Zöllner und Sünder zu sein und sogar mit ihnen zu essen.
Gegen jede gesellschaftliche Gepflogenheit forderte Jesus Matthäus auf, ihm zu folgen. Er ließ sich von ihm sogar zum Essen einladen, wie später dann auch von Zachäus, dem obersten Zollpächter von Jericho. Als sich Jesus dafür rechtfertigen sollte, sagte er, dass er gekommen sei, die Kranken zu heilen, nicht die Gesunden; die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten.
Und auch in diesem Fall richtete er seine Einladung an einen von ihnen:

„Folge mir nach!“

Mit diesen Worten hatte sich Jesus schon am von Galiläa an Andreas, Petrus, Jakobus und Johannes gewandt. Die gleiche Einladung hat er dann – wenn auch mit anderen Worten – an Paulus gerichtet, als dieser auf dem Weg nach Damaskus war.
Doch Jesus beschränkt seine Einladung nicht auf die Menschen von damals; durch alle Jahrhunderte hindurch hat er Männer und Frauen aus allen Völkern und Nationen gerufen. Er tut es auch heute. Er begegnet uns in unserem Leben an verschiedenen Orten und auf unterschiedliche Weise und lädt uns ein, ihm zu folgen.
Er fordert uns auf, mit ihm zu leben, und will eine persönliche Beziehung mit uns eingehen. Gleichzeitig lädt er uns ein, mit ihm zusammenzuarbeiten an der Erneuerung der Menschheit. Unsere Schwächen, unsere Sünden und Unzulänglichkeiten stören ihn dabei nicht. Er liebt uns und erwählt uns so, wie wir sind. Seine Liebe wird uns verwandeln. Sie wird uns die Kraft geben, ihm zu antworten, und den Mut, ihm zu folgen, wie es Matthäus getan hat.
Jesus hat für jede und jeden eine besondere Liebe, einen besonderen Plan und eine eigene Berufung. All dies vernimmt man im Herzen: durch die Eingebung des Heiligen Geistes, durch bestimmte Umstände oder auch durch den Rat eines Menschen, der uns gern hat. Wenn auch auf verschiedene Weise, geht es doch immer um die Einladung:

„Folge mir nach!“

Ich erinnere mich an den Moment, als auch ich diesen Ruf Gottes wahrgenommen habe. Es war ein eiskalter Wintermorgen in Trient. Die Mutter bat meine jüngste Schwester, Milch holen zu gehen. Aber es war zu kalt, und der Ort zwei Kilometer entfernt; deshalb wollte sie es nicht tun. Auch die andere Schwester lehnte ab. Da sagte ich: „Mutter, ich gehe!“ und nahm die Milchkanne. Auf halbem Weg geschah etwas Ungewöhnliches: Ich hatte den Eindruck, als ob sich der Himmel öffnete, und Gott mich einlud, ihm zu folgen. „Schenk dich mir ganz!“, vernahm ich im Herzen.
Das war ein ganz deutlicher Ruf. Und ich hatte den Wunsch, sofort darauf zu antworten. Ich sprach mit einem Priester, und er gab mir die Erlaubnis, mich für immer Gott zu schenken. Es war der 7. Dezember 1943. Ich werde nie beschreiben können, was es war: Ich hatte Gott geheiratet. Von ihm konnte ich mir alles erwarten.

„Folge mir nach!“

Dieses Wort beschränkt sich nicht auf den Moment unserer Lebensentscheidung. Jesus richtet es jeden Tag an uns: „Folge mir“ – scheint er uns vor den einfachsten alltäglichen Pflichten nahezulegen. „Folge mir“ – in jener Prüfung, die es anzunehmen, in jener Versuchung, die es zu überwinden gilt, und in jener Aufgabe, die uns aufgetragen ist.
Wie können wir ihm darauf antworten?
Indem wir tun, was Gott in diesem Augenblick möchte; darin liegt stets eine besondere Gnade.
Nehmen wir uns in diesem Monat vor, entschieden Gottes Willen zu tun. Wenden wir uns mit ganzer Liebe der Schwester, dem Bruder zu, widmen wir uns ganz der Arbeit, dem Studium, dem Gebet, der Erholung …
Lernen wir, immer mehr auf Gottes Stimme in uns zu hören, die auch durch die Stimme des Gewissens zu uns spricht; sie wird uns sagen, was Gott von uns möchte. Seien wir bereit, alles hintanzustellen, um das zu tun.

„Gib, dass wir dich lieben, o Gott.
Nicht nur jeden Tag mehr; denn die Tage, die uns bleiben, könnten zu wenige sein.
Gib, dass wir dich jeden Augenblick lieben
mit ganzem Herzen, ganzer Seele und mit aller Kraft:
in dem, was dein Wille ist.”

Auf diese Weise folgen wir Jesus.
Chiara Lubich

Erstmals veröffentlicht in: NEUE STADT, Juni 2005

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Oktober 2011)
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