27. November 2011

Zur Papstreise – Appell für ein hörendes Herz

Von nst_xy

Wilhelm Rauscher, Bonn, war lang beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken tätig. Jetzt koordiniert er die Aktivitäten des Forums „Politik und Geschwisterlichkeit” der Fokolar-Bewegung in Nordwest-Deutschland. Seine Gedanken zur Bundestagsrede:

Die Bitte Salomons um ein„hörendes Herz” führt in den Kern der dramatischsten aller Menschheitsfragen, der Unterscheidung zwischen Gut und Böse, zwischen Recht und Unrecht.

Diese Frage stellt sich allen und lädt zur Gewissenserforschung ein; auch die politisch Engagierten und Interessierten. Und wie „kann man erkennen, was Recht ist”? Der Papst verweist hier nicht auf Glaube und Religion, sondern auf Natur und Vernunft. Als Kinder unserer Zeit sind wir von der positivistischen Sichtweise geprägt. Sie durchdringt ganz selbstverständlich das öffentliche Leben. Was gut ist und Recht sein soll, dafür gibt es demzufolge keine objektiven Maßstäbe. Es bleibt im Subjektiven und muss stets neu ausgehandelt werden. Der Papst zieht genau das in Zweifel. „Die Fenster müssen wieder aufgerissen werden, wir müssen wieder die Weite der Welt, den Himmel und die Erde sehen!”

Was heißt das nun? Brauchen wir statt einer Politik des vordergründigen Machens eher eine „hörende” Politik, die wieder mehr auf die „Weisungen” in der Natur des Menschen achtet? Ich meine, wir sind in diesem Sinne bereits hellhöriger geworden. Wir sehen die Defizite eines rein funktionalen Umgangs mit der Natur und der Welt. Dennoch bleibt die Frage: Sind diese Weisungen eindeutig? – und damit in unserer weltanschaulich pluralen Gesellschaft die Aufgabe und Herausforderung der Verständigung. Und dafür brauchen wir im doppelten Sinn ein „hörendes Herz”: für die Stimme unserer innersten Natur und füreinander.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, November 2011)
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