27. November 2011

Zur Papstreise – Eigentlich ganz evangelisch

Von nst_xy

Heike Vesper, evangelisch-lutherisch, gebürtig aus Meißen, lebt seit vier Jahren am Zentrum der Fokolar-Bewegung in Rocca di Papa bei Rom. Den Besuch des Papstes in Deutschland hat sie per Internet verfolgt.

Da ich aus dem Osten Deutschlands komme, war schon der Besuch in Berlin und Erfurt an sich bewegend; speziell die Begegnung mit der Evangelischen Kirche in Erfurt. War es doch die Stadt, in der wir Angehörige der Fokolar- Bewegung aus der DDR und der Tschechoslowakei in den siebziger und achtziger Jahren unsere Sommertreffen hatten. Nicht zuletzt dort habe ich durch die Spiritualität der Einheit gelernt, die eigene, evangelische Kirche wie auch die Kirche des anderen zu lieben.

Beeindruckt hat mich, wie der Papst beim Zusammentreffen mit der EKD die Gottessuche und die Spiritualität von Martin Luther hervorgehoben und sich zu eigen gemacht hat. Dann hat er in seiner Predigt beim Ökumenischen Gottesdienst das gemeinsame Zeugnis des gelebten Glaubens als erste Aufgabe der Ökumene unterstrichen. Für mich war das eine Bestärkung meiner Erfahrung: Die Einheit im Glauben an Gott, der Liebe ist, und an den gekreuzigten und verlassenen Jesus hebt die liturgischen und theologischen Unterschiede zwar nicht auf, lässt sie aber auch nicht so stark werden, dass sie uns grundlegend trennen könnten.

Meines Erachtens ist das, was von evangelischer Seite vom Papst erhofft wurde, nicht oder zumindest nicht ausschließlich von Rom abhängig. Das er dann beim Treffen mit den orthodoxen Christen die Hoffnung auf eine baldige gemeinsame Feier am Tisch des Herrn so ausdrücklich ausgesprochen hat, war schon etwas schmerzlich.
Beeindruckt hat mich, dass der Papst keine vorgefertigten Lösungen gebracht, sondern alle in die Verantwortung gerufen hat – also eigentlich ganz evangelisch.

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, November 2011)
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