23. Juni 2012

Miteinander für Europa – Ein buntes Bild

Von nst_xy

Am europaweiten Aktionstag des internationalen Netzwerkes „Miteinander für Europa“ beteiligten sich 144 Städte mit größeren und kleineren Events. So vielfältig wie die dabei engagierten Gemeinschaften waren auch die Veranstaltungen – hier ein paar Beipiele.

Lüdenscheid: Im Herzen der Stadt
Bürgermeister Dieter Dzewas im westfälischen Lüdenscheid hatte das ganze Rathaus inmitten der Fußgängerzone unentgeltlich zur Verfügung gestellt und dafür sogar eine andere Veranstaltung abgesagt. Eingeladen hatten italienische, kroatische, polnische, armenische, russische und portugiesische Christen; unter ihnen Baptisten, Griechisch-orthodoxe, Evangelisch-lutherische und Katholiken; die Freie Christliche Jugend-Gemeinschaft (FCJG), die Foundry Hauskirchenbewegung Deutschland, Help international und Vertreter der Fokolar-Bewegung. Seit vier Jahren sind die meisten von ihnen gemeinsam unterwegs.
„Es ist unheimlich, was in diesen Jahren im Miteinander gewachsen ist und dass so ein Tag möglich war,“ formulierte eine evangelische Pastorin am Ende des Tages im Gebet. „Wir erleben hier Einheit in Vielfalt; eine Hoffnung – wie eine ‚ansteckende Gesundheit‘, die uns weiterführt.“
Bei verschiedenen Workshops am Nachmittag zu den sieben „Jas“ wurden spontan Pläne zu weiterer Zusammenarbeit geschmiedet, wie beispielsweise zwischen der „Wirtschaft in Gemeinschaft“ und den Christen in der Wirtschaft (CiW).

Esslingen: Brücken bauen
Brücken schlagen – insbesondere zwischen Jugendlichen aus unterschiedlichen kulturellen und sozialen Milieus. Das war die Herausforderung, der sich die Veranstalter in Esslingen gestellt hatten. Und vor allem die Pfadfinder von CVJM (Christlicher Verein Junger Menschen) und BDKJ (Bund der Deutschen Katholischen Jugend) hatten sich dafür zusammen getan. Symbolisch haben sie in der Maille, dem Esslinger Stadtpark, eine Holzbrücke aus mehreren Einzelteilen zusammengesetzt, die verschiedene Gruppierungen vorab gezimmert hatten.
Und weil Sport verbindet, gab es auch ein Fußball-Turnier nach Fairplay-Regeln; es zählten also nicht nur die Tore, sondern auch das faire, respektvolle Verhalten. Brücken konnten die Erwachsenen parallel dazu bei Kaffee und Kuchen schlagen. Der Tag klang in Esslingen aus mit der „Nacht der Lichter“ im Münster St. Paul.
„Gefreut hat uns“, so CVJM-Referent Valerian Krupp, der auch schon für die Großveranstaltungen  2004 und 2007 in Stuttgart mitgearbeitet hatte, „dass es gelungen ist, viele junge Leute zu beteiligen und dass das ‚Miteinander’ damit etwas näher an die Basis gekommen ist.“

Hamburg: Ein neuer Aufbruch
In Hamburg hatten sich knapp 50 Teilnehmer versammelt. Sie schreiben: „Es war eine Gelegenheit, einander kennenzulernen, Gemeinsamkeiten zu entdecken und miteinander zu teilen.
Auf die Frage in den Saal, ob wir in Zukunft gemeinsame Begegnungen durchführen sollten, kam große Zustimmung.
Es ist für uns in Hamburg wie ein Aufbruch. Ein gemeinsamer Weg hat sich aufgetan, auf den wir uns freuen und für den wir sehr dankbar sind.“

Augsburg: Rückbesinnung auf die Stadtgeschichte
„Es ist wunderbar, einmal nicht über Dinge zu sprechen, die uns wenig Lust auf Europa machen, weil sie mit Angst und Verunsicherung verbunden sind. Und es ist gut, das in den Mittelpunkt zurücken, worum es eigentlich geht: Europa sind die Menschen, die hier leben!“ Mit diesen Worten begrüßte Oberbürgermeister Kurt Gribl 300 Personen, die in den Oberen Fletz des Augsburger Rathauses gekommen waren. Zuvor hatten sie trotz Regen und Kälte durch sieben schwungvolle La-Ola-Wellen ihre Begeisterung für ein solidarisches Miteinander auf dem Rathausplatz zum Ausdruck gebracht.
Im Programm vor der Übertragung stand die reiche Geschichte Augsburgs als „Stadt des Miteinanders“ mit wichtigen Etappen im Dialog zwischen Konfessionen und gesellschaftlichen Gruppen im Mittelpunkt: von Afra, der ersten Märtyrerin, bis zur Friedenspreisträgerin Chiara Lubich, vom Augsburger Religionsfrieden 1555 bis zur Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre 1999. Interviews mit vier historischen Persönlichkeiten der Stadtgeschichte machten deutlich, dass christliches Engagement immer auch gesellschaftliches, bürgerschaftliches Engagement ist.

Frankfurt: Über Hindernisse
Obwohl man das ganze Programm unter freiem Himmel geplant hatte, ließ man sich auch in Frankfurt nicht von der Kälte und den dunklen Regenwolken beeindrucken. Um mitten in der Mainmetropole präsent zu sein, hatten die Veranstalter (Schönstatt, CVJM Frankfurt, Jesus-Bruderschaft Gnadenthal, Evangelische Allianz, Charismatische Erneuerung und Fokolar-Bewegung) schon im Vorfeld viele bürokratische Hürden nehmen müssen.
Sieben „Ja-Inseln“ waren dann am 12. Mai in der ganzen Stadt verteilt und luden Passanten zum Gespräch und Verweilen an Biertischen ein. Jugendliche begannen um 13.30 Uhr eine Stadtrallye, die sie an die verschiedenen Inseln führte, um dort jeweils ein Rätsel zu lösen, passend zu „Miteinander für Europa“. Das Ergebnis stellten sie zum Abschluss der Rallye auf dem Römerplatz vor, bevor der Nachmittag dann in eine gemeinsame Zentralveranstaltung auf dem Domplatz mündete: Begrüßungen, Grußworte, Ehrung der Sieger der Stadtrallye und dann die Internet-Übertragung aus Brüssel. Bei der abschließenden Gebetsnacht „Nightfever“ von 20 bis 24 Uhr im Dom gestalteten unterschiedliche Gruppierungen je eine Stunde des gemeinsamen Gebets für Europa.

Wien: Kultur des Lebens und Gebens
Ganz im Zeichen von Freude, Aufbruchstimmung und gelebtem Miteinander von katholischen, evangelischen, orthodoxen, freikirchlichen Christen stand – trotz schlechtem Wetter – das Europa-Fest auf dem Wiener Stephansplatz. Im Vorprogramm waren Interviews mit österreichischen EU-Parlamentariern  – wie Othmas Karas (VP) und Ulrike Lunacek (Grüne) – sowie dem Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Wien, Richard Kühnel, zu sehen.
Eindringliche Zeugnisse unterstrichen dann das Engagement der Christen für eine „Kultur des Lebens“, eine „Kultur des Gebens“ und eine „Kultur des Friedens“. Für die musikalische Gestaltung sorgte die Band „Jazz4europe“, die sich eigens für das Ereignis zusammengefunden hatte.
Es war ein Kommen und Gehen, sodass geschätzte 600 Personen jeden Alters und jeder Herkunft im Laufe des Nachmittags dem Programm am Platz gefolgt sind. Wie viele nur kurz durchgegangen sind, kann keiner sagen. In spontanen Reaktionen war immer wieder die Rede von einem „schönen, fröhlichen, anregenden, berührenden und Hoffnung gebenden Nachmittag“.
In Österreich fanden außerdem Veranstaltungen in Graz und Innsbruck statt.

Schweiz: Ein Strom lebendiger Ökumene
Rund 900 Teilnehmende aus 45 christlichen Bewegungen und acht Ordensgemeinschaften trafen sich in acht Orten der Schweiz. Mit dabei waren überall Vertreter der Kirchen, die sich über dieses „Miteinander“ freuten. So betonte Generalvikar Josef Annen in Zürich: „Unsere Kirchen brauchen euer Miteinander.“ In Lausanne unterstrich Adèle Kelam, Präsidentin der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (AGCK), dass sie vermehrt mit Bewegungen und Freikirchen Kontakt pflegen und Gemeinschaft in Christus aufbauen möchte, damit aus kleinen Schritten große werden können.
Das Programm der einzelnen Tagungen glich nach Aussage der Koordinatoren „einem Feuerwerk, bei dem sich immer neue Lichter entfalteten“: vom konkreten Dienst an den Armen der Stadt (Genf) zur Präsentation einer „Wirtschaft in Gemeinschaft“ (Tesserete), vom Erfahrungsaustausch über die „7 Ja’s“ (Zürich) zu einem starken Versöhnungsgottesdienst, wo früher die Trennung zwischen katholischer und reformierter Kirche stattgefunden hatte (Baar), vom Einsatz für Drogensüchtige (Wattwil) zum Engagement in der Politik (Lausanne), vom Vertiefen der Beziehungen untereinander (Gossau) zu Überlegungen, wie man sich besser für die eigene Stadt engagieren kann (Basel).

Luxemburg – Friedenslauf in Schengen
Einen symbolträchtigen Ort hatten sich jungen Menschen in Luxemburg ausgesucht: In Schengen starteten 180 junge Menschen auf einer Strecke von zehn Kilometern durch Luxemburg, Frankreich und Deutschland. Während des Laufes gab es Kontrollposten, wo passend zum Thema Frieden Fragen gestellt oder gemeinsam Spiele absolviert wurden. Insbesondere die Aussagen von acht ägyptischen Jugendlichen, die sich am „arabischen Frühling“ (Revolution) beteiligten, stießen auf großes Interesse.
Organisiert wurde die Rallye im Rahmen des „World Peace Forum“, des Weltfriedensforums, das in den Tagen zuvor in Schengen stattfand und zu dem junge Teilnehmer aus aller Welt gekommen waren. „Gemeinsam seid ihr stark und gemeinsam erreichen wir das Ziel, welches Frieden heißt“, ermutigte auch Erzbischof Hollerich die Jugendlichen. Anschließend nahm er sich viel Zeit, die Jugendlichen aus aller Welt und Anhänger anderer Religionsgemeinschaften zu begrüßen. Nach Zielankunft der letzten Gruppe in Schengen gab man telefonisch den Teilnehmern in Nordirland den offiziellen Startschuss für deren Lauf.

Belfast – Für eine friedliche Zukunft
In der nordirischen Hauptstadt hatten sich Jugendliche aus verschiedenen Konfessionen vor dem Regierungsgebäude Stormont Castle getroffen. Gemeinsam wollten sie mit ihrem Friedenslauf durch den großen Park ihr „Ja zu einer friedlichen Zukunft“ zum Ausdruck bingen.

Tirana – Miteinander in Albanien
„Dass in Tirana die obersten Vertreter der orthodoxen, evangelischen und katholischen Kirche dabei waren, ist für mich das Highlight des Tages.“ Und Sokol Hoxha von „Jugend mit einer Mission“ im bayerischen Hurlach ist selbst Albaner. Für den 12. Mai war er in seine Heimat gereist, um dort an einer Veranstaltung mitzuwirken. Um seine Freude zu erklären, fügt er an: „In Albanien spricht man nicht von drei Konfessionen, sondern von drei Religionen.“
In Tirana hatten sie nun alle zusammen einen ganzen Tag vorbereitet: Als Ausdruck ihres gemeinsamen „Ja zur Schöpfung“ hatten die etwa 230 bis 250 Personen – in Absprache mit der Kommune – zunächst im größten städtischen Park die Mülltonnen wieder auf Vordermann gebracht: Mit Farbe und Pinsel und viel Freude, „trotz großer Hitze“! In einem gemeinsamen Zug durch die Stadt und ausgerüstet mit großen Transparenten „Miteinander für Europa“ zogen die Teilnehmer über den Hauptboulevard zum „Christlichen Zentrum Albaniens“, wo sie nach Grußworten der drei kirchlichen Würdenträger und einer Einführung in die Geschichte des Miteinanders die Übertragung aus Brüssel verfolgten. „Auch wenn wir Christen in Albanien noch einen langen Weg vor uns haben: Dieser Tag war eine wichtige Etappe!“, ist Sokol Hoxha überzeugt. Und das bestätigten ihm auch die Reaktionen einiger Teilnehmer: „Eine ältere Frau hatte am Schluss Tränen in den Augen und eine Reporterin, die schon jahrelang für das orthodoxe Radio arbeitet, meinte, sie habe keine Worte für dieses Ereignis.“

Breslau: Deutsche und Polen gemeinsam
Der Ort war mit Bedacht gewählt: Schlesien, ein Jahrhunderte alter Zankapfel mitten in Europa, dabei aber ein Land, das viele Facetten der europäischen Kultur zeigt, sollte nicht nur ein Ort der Versöhnung sein, sondern ein Meilenstein auf dem Weg der Freundschaft von Christen aus beiden Ländern. Vorbereitet hatten den Tag in Breslau polnische Mitglieder der Fokolar- und der Schönstatt-Bewegung zusammen mit Deutschen aus evangelischen und katholischen Gemeinschaften.
Höhepunkt war ein ökumenisches Gebet in der St. Elisabethkirche mit Fürbitten der Deutschen und Polen füreinander: „Als ein in Schlesien geborener Deutscher für die Polen betete, die dort jetzt ihre Heimat gefunden hatten, und ein schlesischer Pole für die damals vertriebenen Deutschen, spürten wir, dass unser Treffen zu einer historischen Begegnung geworden war.“
Fünf Workshops zum siebenfachen „Ja“, alle von polnischen und deutschen Mitgliedern der Bewegungen gemeinsam vorbereitet, und ein Impulsreferat rundeten die Begegnung ab. Ein gemeinsames Resümee: „Als Mitarbeiter aus recht unterschiedlichen Herkünften haben wir eine überraschend schnelle und beglückend tiefe Einheit erlebt. Das hat uns Mut gemacht, das „Miteinander für Europa“ gerade in den Brennpunkten historischer oder aktueller Zerrissenheit zu suchen.“
Gabi Ballweg

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, Juni 2012)
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