23. September 2012

Blick auf ein Stück Himmel

Von nst_xy

Er war 13 Jahre politischer Gefangener des kommunistischen Regimes in Vietnam. Nach seiner Freilassung 1988 hat man ihn ins Exil gezwungen. Trotz allem: Er hat die Hoffnung nie aufgegeben. Vor zehn Jahren, am 16. September 2002, starb Kardinal François-Xavier Nguyen Van Thuan in Rom.

Van Thuans Leben kann vor allem eines lehren: sich der Hoffnung nicht zu verschließen, sie in sich selbst wachzuhalten und sie anderen weiterzugeben. Diese Hoffnung hat er sein Leben lang bezeugt – in großer Einfachheit und mit Leidenschaft.

Eine seiner Lebenserfahrungen brachte der ehemalige Erzbischof von Saigon einmal so auf den Punkt: „Es ist besser für dich, Geld, Titel, ja dein Leben zu verlieren, als deine Ideale und deinen Glauben preiszugeben. Mach nie den umgekehrten Tausch: Der Verlust wäre zu groß!“

In seinen letzten Lebensjahren wirkte er in seiner Aufgabe als Präsident des Päpstlichen Rats „Justitia et Pax“ als Vorkämpfer für Frieden und Gerechtigkeit. Weltweit bekannt wurde er durch seine Exerzitien für Papst Johannes Paul II., in denen er seine Lebenserfahrung weitergab und die in viele Sprachen übersetzt wurden („Hoffnung, die uns trägt“).

Einige Gedanken eines authentischen, aufrichtigen Menschen, die den Blick auf ein Stück Himmel freigeben und helfen, die Sehnsucht lebendig zu halten:

Es kommt vor, dass wir ein Programm, das sich gut entwickelt, nicht zu Ende führen können; dass begeistert begonnene Aktivitäten behindert werden; dass wir von einer verantwortungsvollen Aufgabe entbunden werden und unbedeutendere Arbeiten übernehmen müssen. Vielleicht bringt uns das aus der Fassung und lässt uns mutlos werden.

Doch der Ruf des Herrn lautet nicht: „Folge dieser Aktion oder jenem Menschen“, sondern: „Folge mir!“ Lassen wir ihn nur machen: Er wird sich der Sache schon annehmen.

Je mehr Wissen wir erlangen,
desto klarer erkennen wir unsere Grenzen.

Sei nicht neugierig.
Konzentriere dich vielmehr darauf,
dich selbst besser zu erkennen.

Manche machen die Augen zu oder schauen einfach weg, um nichts zu sehen.
Andere verstopfen sich die Ohren und stellen sich taub.
Doch die Wahrheit bleibt immer die Wahrheit.

Schauen wir gut hin, hören wir aufmerksam zu, lernen wir von der Realität, lernen wir von den anderen.
Die Realität ist unser Lehrbuch, der Mitmensch unser Lehrmeister.

Ein kindliches Herz zu haben
bedeutet nicht, kindisch oder naiv zu sein,
sondern: grenzenlos lieben,
sich ganz auf Gott verlassen,
alles tun, was er will,
alles andere aufgeben
und ihm folgen,
ihm absolutes Vertrauen schenken,
mit Beherztheit und Standhaftigkeit
zeigen, dass wir Kinder Gottes sind.

Das Wort ist ein Same, der in unser Leben ausgestreut ist. Das gute Erdreich gibt nicht den Samen zurück, sondern die Frucht. So sollten wir nicht nur unsere Gedanken über das Wort Gottes mitteilen, sondern vor allem das, was es bewirkt hat, nachdem es ins Erdreich unseres Lebens aufgenommen wurde.

Besitzen, als besitze man nicht;
verkaufen, als verkaufe man nicht;
kaufen, als kaufe man nicht;
so handeln, als besäße man nichts
und verfüge doch über alles –
nicht das Geringste verlangen,
aber bereit sein, alles herzugeben:
Das ist echter Geist der Armut.

Nicht Schnelligkeit oder Eile bringen uns voran.
Nur mit festem Schritt und Entschlossenheit werden wir weiterkommen.

Wenn wir über den Alltag sprechen, meinen wir oft, er sei von geringem Wert und nicht so wichtig.
Das ist falsch. Denn der Alltag ist uns am nächsten, und gerade weil er uns ganz in Anspruch nimmt, ist er von großer Bedeutung.

Der Frieden muss im Alltag beginnen.
Das ist die Tugend, die heute besonders gefragt ist: eine Haltung, die sich in alltäglichen Gesten des Friedens und der Geschwisterlichkeit äußert, die Bereitschaft, den eigenen Platz gut auszufüllen und mit Hingabe die eigenen Pflichten zu erfüllen.
Die tägliche Arbeit, das Familienleben, die Beziehungen zu den Nachbarn und jedem anderen „Nächsten“ können eine Prägung bekommen, die Friedfertigkeit und Offenheit, Übereinstimmung und gegenseitiges Verständnis ausstrahlt.

Die Gegenwart leben,
das ist die Regel für unsere Zeit.
Im frenetischen Rhythmus unserer Tage
ist der gegenwärtige Augenblick
die große Chance,
um wirklich zu „leben“.
Halten wir öfter inne!

Aus: Hoffnung trotz allem – Hundert Worte von Nguyen Van Thuan; Verlag Neue Stadt. München 2010

(Erschienen in der gedruckten Neuen Stadt, September 2012)
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